15.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil12.08.2020

Alkoholisiert auf dem Fahrrad unterwegs - Radfahrverbot rechtmäßigBehörde verlangte zurecht ein medizinisch-psychologisches Gutachten

Wer auf einem Fahrrad mit einer Blutalkohol­konzentration (BAK) von mehr als 1,6 Promille unterwegs ist und anschließend das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beibringt, dem kann zu Recht verboten werden, fahrer­laub­nisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das hat das Verwal­tungs­gericht Neustadt a.d. Weinstraße entschieden.

Der in der Stadt Landau wohnhafte Kläger wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 13. Juli 2018 wegen einer Trunken­heitsfahrt im Straßenverkehr verurteilt: Zeugen hatten bei der Polizei gemeldet, dass er am 27. Mai 2018 um 20.00 Uhr in Landau mit dem Fahrrad in auffälliger Weise gefahren sei. Beim Eintreffen der Polizei schob der Kläger das Fahrrad. Ein freiwilliger Atemalkoholtest lag bei 1,73 Promille. Der Kläger willigte in eine Blutprobe ein und gab an, drei bis vier Weinschorlen getrunken zu haben. Nach den Feststellungen des Arztes stand er unter sehr starker Beeinflussung durch Alkohol. Die Blutprobe von 22.03 Uhr ergab eine Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration in Höhe von 2,21 Promille.

Behörde untersagte Nutzung aller fahrer­laub­nis­freier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr

Nachdem die beklagte Stadt Landau von der Verurteilung erfahren hatte, forderte sie den Kläger im Oktober 2018 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage seiner Fahreignung vorzulegen. Da der Kläger das Gutachten in der Folgezeit nicht beibrachte, untersagte ihm die Beklagte mit Bescheiden vom 10. Januar 2019 und 12. November 2019 die Nutzung aller fahrer­laub­nis­freier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.

Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Stadt­rechts­aus­schuss der Beklagten mit Wider­spruchs­be­scheid vom 5. Dezember 2019 zurück.

Radfahrer klagt gegen Radfahrverbot

Dagegen erhob der Kläger im Januar 2020 Klage und machte geltend, die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er erstmalig mit dem Fahrrad im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens habe er sich aufgrund finanzieller Probleme nicht leisten können. Als Kind habe er den Radsport "professionell" betrieben, sei aber im Alter von zwölf Jahren verunfallt und habe einen Schädel­ba­sisbruch mit bleibenden Gehirnschäden erlitten. Aufgrund der Behinderung habe er keine Berufs­aus­bildung machen können und sei auf die Nutzung eines Fahrrads existenziell angewiesen für Außenkontakte, Arztbesuche und zur Versorgung seiner Mutter.

Gericht weist Klage ab und bestätigt das Radfahrverbot

Die 1. Kammer des Gerichts hat die Klage mit Urteil vom 12. August 2020 abgewiesen. Zur Begründung führten die Richter aus:

Das von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot, fahrer­laub­nisfreie Fahrzeuge aller Art (also insbesondere auch ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, sei rechtmäßig. Nach den einschlägigen Vorschriften der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung sei von der Fahrer­laub­nis­behörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt worden sei. Lege der Betroffene das angeforderte Gutachten nicht oder nicht fristgerecht vor, dürfe die Fahrer­laub­nis­behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen schließen und die daraus folgenden, gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen ergreifen.

Gutach­tens­a­n­ordnung war rechtmäßig ergangen

Die Gutach­tens­a­n­ordnung der Beklagten sei rechtmäßig ergangen. Der Kläger habe am 27. Mai 2018 ein Fahrzeug (ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr geführt mit einer Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von mehr als 1,6 Promille. Dieser Sachverhalt ergebe sich aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 13. September 2018, dessen Inhalt der Kläger gegen sich gelten lassen müsse. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass die Teilnahme mit einem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr mit einer BAK von mehr als 1,6 Promille die Fahreignung insgesamt, das heißt auch für fahrer­laub­nisfreie Fahrzeuge, in Frage stelle, und die medizinisch-psychologische Untersuchung auch gegenüber Personen, die nicht über eine Fahrerlaubnis verfügten, ohne Rücksicht auf die Einzel­fa­l­lum­stände zulässig und insbesondere nicht unver­hält­nismäßig sei.

Fehlende finanzielle Mittel des Kläger für Beibringung des Gutachtens unbeachtlich

Soweit der Kläger einwende, ein medizinisch-psychologisches Gutachten wegen fehlender finanzieller Mittel nicht beibringen zu können, sei dieser Umstand unbeachtlich. Auch der Umstand, dass der Kläger erstmals mit dem Fahrrad unter Alkoholeinfluss auffällig geworden sei, mache die Gutach­tens­a­n­ordnung nicht unver­hält­nismäßig. Schließlich könne der Umstand, dass der Kläger zur Bewältigung seines Alltags, zur Versorgung seiner Mutter und zur sozialen Teilhabe auf das Fahrrad angewiesen sei, das Fahrverbot für das Fahrrad nicht verhindern. Diesen beachtlichen Belangen des Klägers stehe das ebenfalls sehr hoch zu bewertende öffentliche Interesse an der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs für andere Verkehrs­teil­nehmer gegenüber. Die Gefahren, die von alkoholbedingt ungeeigneten Fahrradfahrern ausgingen, seien nicht unerheblich, sondern könnten auch zu schwerwiegenden Schaden­se­r­eig­nissen führen. Auch unter Berück­sich­tigung der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere der allgemeinen Handlungs­freiheit und einer Basismobilität durch die grundsätzlich voraus­set­zungslose Nutzung eines Fahrrads sei ein vollständiges Verbot dieses Fortbe­we­gungs­mittels rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: Verwaltungsgericht Neutstadt, ra-online (pm/pt)

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