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Verwaltungsgericht Münster Urteil28.01.2010

BAföG: Auch ständig im europäischen Ausland lebende Deutsche können Anspruch auf BAföG habenVG Münster: BAföG-Beschränkung für Auslands­deutsche ist europa­rechts­widrig

Die Vorschrift des § 6 Satz 1 des Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setzes (BAföG), wonach Deutschen mit ständigem Wohnsitz im Ausland Ausbil­dungs­för­derung für den Besuch einer dortigen Ausbil­dungs­stätte nur dann geleistet werden kann, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles dies rechtfertigen, verstößt gegen europäisches Recht und ist deshalb nicht anzuwenden. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Münster.

Im zugrunde liegenden Fall lebt der Kläger seit 2000 mit seinen Eltern und Geschwistern in Frankreich. 2005 beantragte er beim hierfür zuständigen Landkreis Mainz-Bingen, ihm Ausbil­dungs­för­derung für ein Medizinstudium an einer Universität in Paris zu gewähren. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit der Begründung ab: Nach dem Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­gesetz sei es der gesetzliche Regelfall, Deutschen mit ständigem Wohnsitz im Ausland keine Ausbil­dungs­för­derung zu leisten. Die nach dem Gesetz erforderlichen besonderen Umstände für eine Ausnahme lägen im Fall des Klägers nicht vor.

Verstoß gegen gemein­schafts­rechtliche Vorschriften

Nunmehr entschied das Verwal­tungs­gericht Münster jedoch zu Gunsten des Klägers und sprach ihm einen Anspruch auf Ausbil­dungs­för­derung zu. In den Entschei­dungs­gründen des Urteils heißt es unter anderem:

Das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls nach § 6 Satz 1 BAföG greife in das durch den EG-Vertrag verliehene Recht jedes Unionsbürgers ein, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Denn der Kläger hätte, um Ausbil­dungs­för­derung für sein Studium in Frankreich erhalten zu können, von vornherein auf einen ständigen Wohnsitz im EG-Ausland verzichten oder seinen ständigen Wohnsitz von Frankreich nach Deutschland verlegen müssen. Ein derartiges Vorgehen wäre indes für ihn mit persönlichen Unannehm­lich­keiten, zusätzlichen Kosten und etwaigen Verzögerungen verbunden. Daher sei das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls geeignet, Deutsche von vornherein davon abzuhalten, sich in einen anderen EG-Mitgliedstaat zu begeben und dort einen ständigen Wohnsitz zu begründen. Außerdem sei die Beschränkung geeignet, Deutsche mit ständigem Wohnsitz in einem anderen EG-Mitgliedstaat davon abzuhalten, sich dort weiterhin aufzuhalten. Dies sei gemein­schafts­rechtlich nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs habe ein Mitgliedstaat im Rahmen seines Ausbil­dungs­för­de­rungs­systems dafür Sorge zu tragen, dass die Modalitäten der Bewilligung dieser Förderung das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht ungerecht­fertigt beschränkten. Ein mit dem Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls in verhält­nis­mäßiger Weise verfolgter legitimer Zweck sei jedoch nicht ersichtlich. Die Beschränkung sei weder durch das Anliegen, die öffentlichen Haushalte nicht über Gebühr zu belasten, noch durch andere Zwecke gerechtfertigt.

Europäscher Gerichtshof befasste sich schon mit der Frage

Schon 2007 hatte sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg mit dem deutschen Bafög für Auslands­s­tu­denten befasst. Er entschied: Das Recht, überall in der EU zu leben und zu arbeiten, geht vor (Freizügigkeit). Bafög-Regelungen dürften nicht verhindern, dass Deutsche in der EU ihren Wohn- und Studienort frei wählen (EuGH, Urteil v. 23.10.2007 - C-11/06, C-12/06 -).

Quelle: ra-online, VG Münster

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