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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil01.03.2017
Einbürgerung setzt Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit vorausBosnier entstehen durch Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit keine erheblichen Nachteile
Das Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat entschieden, dass ein Staatsangehöriger aus Bosnien-Herzegowina keinen Anspruch auf Einbürgerung hat, wenn er nicht bereit ist, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben.
Der 1989 geborene Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Bosnier, reiste 1993 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Jahr 2015 beantragte er seine Einbürgerung mit der Maßgabe, seine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben zu müssen. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt Karlsruhe mit der Begründung ab, dass eine Einbürgerung grundsätzlich voraussetze, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgebe. Die gesetzlich geregelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Grundsatz lägen nicht vor. Seine nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass er im Sinne der in § 12 Staatsangehörigkeitsgesetz vorgesehenen Ausnahmeregelung seine Staatsangehörigkeit nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben könne. Die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit wäre die Vollendung des in den Jahren 1992 bis 1955 erfolgten Genozids an den Bosniern; denn damit verspotte er das dadurch entstandene Leid. Das Recht, seinem Gewissen zu folgen, sei grundrechtlich verbürgt. Im Übrigen würden ihm bei Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit Nachteile vermögensrechtlicher Art entstehen; denn Bosnier würden in der Republika Srpska (dem serbisch dominierten Teil von Bosnien und Herzegowina), in der seine Eltern Grundeigentum hätten, diskriminiert. Es bestehe die Gefahr, dass die Republika Srpska aus dem Staat Bosnien und Herzegowina mit der Folge ausscheide, dass bosnischen Staatsangehörigen und Menschen nicht serbischer Herkunft keine Rechte mehr zugestanden würden.
Zusammenhang zwischen drohender Diskriminierung durch Republika Srpska und Verlust bosnisch-herzegowinischer Staatsangehörigkeit nicht plausibel dargelegt
Diesem Ausführungen ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe nicht gefolgt und führte zur Begründung des klageabweisenden Urteils aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung habe, weil er nicht bereit sei, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit lägen nicht vor. Zum einen entstünden dem Kläger durch die Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit keine erheblichen Nachteile. Zwar könnten Erbrechtsbeschränkungen als ein erheblicher Nachteil anzusehen sein. Dies gelte regelmäßig aber erst nach Eintritt des Erbfalls. Zuvor könne sich der Kläger lediglich auf eine Erwerbschance berufen. Im Übrigen habe er einen Zusammenhang zwischen einer (drohenden) Diskriminierung durch die Republika Srpska und dem Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit nicht plausibel dargelegt. Zum anderen rechtfertige der vom Kläger behauptete Gewissenskonflikt keine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit.
Verlust der Staatsangehörigkeit ändert nichts an Herkunft einer Person
Sein Vorbringen, dass die Aufgabe seiner bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit die Vollendung des Genozids an den Bosniern wäre, überzeuge nicht. Es sei fernliegend, dass durch die Aufgabe einer Staatsangehörigkeit Verbrechen relativiert würden oder eine Geringschätzung für die Leiden eines Volkes ausgedrückt werde. Der Verlust der Staatsangehörigkeit ändere nichts an der Herkunft einer Person und führe auch nicht dazu, dass sie ihr Gedächtnis korrigieren müsste. Warum die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit gleichwohl ein Verrat an den Kriegsopfern sein solle, den er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, habe der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.
Gesetz sieht uneingeschränkte Mehrstaatigkeit nicht vor
Der Gesetzgeber habe sich gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit entschieden. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei nicht als solche schon unzumutbar. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.03.2017
Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online
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