21.11.2024
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil01.03.2017

Einbürgerung setzt Aufgabe der bisherigen Staats­an­ge­hö­rigkeit vorausBosnier entstehen durch Aufgabe der bosnisch-herze­go­wi­nischen Staats­an­ge­hö­rigkeit keine erheblichen Nachteile

Das Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe hat entschieden, dass ein Staats­an­ge­höriger aus Bosnien-Herzegowina keinen Anspruch auf Einbürgerung hat, wenn er nicht bereit ist, seine bisherige Staats­an­ge­hö­rigkeit aufzugeben.

Der 1989 geborene Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Bosnier, reiste 1993 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Jahr 2015 beantragte er seine Einbürgerung mit der Maßgabe, seine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben zu müssen. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt Karlsruhe mit der Begründung ab, dass eine Einbürgerung grundsätzlich voraussetze, dass der Ausländer seine bisherige Staats­an­ge­hö­rigkeit aufgebe. Die gesetzlich geregelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Grundsatz lägen nicht vor. Seine nach erfolglosem Wider­spruchs­ver­fahren erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass er im Sinne der in § 12 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz vorgesehenen Ausnah­me­re­gelung seine Staats­an­ge­hö­rigkeit nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben könne. Die Aufgabe seiner Staats­an­ge­hö­rigkeit wäre die Vollendung des in den Jahren 1992 bis 1955 erfolgten Genozids an den Bosniern; denn damit verspotte er das dadurch entstandene Leid. Das Recht, seinem Gewissen zu folgen, sei grundrechtlich verbürgt. Im Übrigen würden ihm bei Aufgabe seiner Staats­an­ge­hö­rigkeit Nachteile vermö­gens­recht­licher Art entstehen; denn Bosnier würden in der Republika Srpska (dem serbisch dominierten Teil von Bosnien und Herzegowina), in der seine Eltern Grundeigentum hätten, diskriminiert. Es bestehe die Gefahr, dass die Republika Srpska aus dem Staat Bosnien und Herzegowina mit der Folge ausscheide, dass bosnischen Staats­an­ge­hörigen und Menschen nicht serbischer Herkunft keine Rechte mehr zugestanden würden.

Zusammenhang zwischen drohender Diskriminierung durch Republika Srpska und Verlust bosnisch-herze­go­wi­nischer Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht plausibel dargelegt

Diesem Ausführungen ist das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe nicht gefolgt und führte zur Begründung des klage­ab­wei­senden Urteils aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung habe, weil er nicht bereit sei, seine Staats­an­ge­hö­rigkeit aufzugeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staats­an­ge­hö­rigkeit lägen nicht vor. Zum einen entstünden dem Kläger durch die Aufgabe der bosnisch-herze­go­wi­nischen Staats­an­ge­hö­rigkeit keine erheblichen Nachteile. Zwar könnten Erbrechts­be­schrän­kungen als ein erheblicher Nachteil anzusehen sein. Dies gelte regelmäßig aber erst nach Eintritt des Erbfalls. Zuvor könne sich der Kläger lediglich auf eine Erwerbschance berufen. Im Übrigen habe er einen Zusammenhang zwischen einer (drohenden) Diskriminierung durch die Republika Srpska und dem Verlust der bosnisch-herze­go­wi­nischen Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht plausibel dargelegt. Zum anderen rechtfertige der vom Kläger behauptete Gewis­sens­konflikt keine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staats­an­ge­hö­rigkeit.

Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit ändert nichts an Herkunft einer Person

Sein Vorbringen, dass die Aufgabe seiner bosnisch-herze­go­wi­nischen Staats­an­ge­hö­rigkeit die Vollendung des Genozids an den Bosniern wäre, überzeuge nicht. Es sei fernliegend, dass durch die Aufgabe einer Staats­an­ge­hö­rigkeit Verbrechen relativiert würden oder eine Geringschätzung für die Leiden eines Volkes ausgedrückt werde. Der Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit ändere nichts an der Herkunft einer Person und führe auch nicht dazu, dass sie ihr Gedächtnis korrigieren müsste. Warum die Aufgabe seiner Staats­an­ge­hö­rigkeit gleichwohl ein Verrat an den Kriegsopfern sein solle, den er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, habe der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.

Gesetz sieht unein­ge­schränkte Mehrstaatigkeit nicht vor

Der Gesetzgeber habe sich gegen eine unein­ge­schränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit entschieden. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit zu entscheiden, sei nicht als solche schon unzumutbar. Verfas­sungs­rechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht.

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online

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