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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss11.03.2016

Ehemaliges Hotel darf vorläufig nicht mit Flüchtlingen belegt werdenNutzungs­änderungs­vorhaben verstößt gegen nachbar­schützende Vorschriften des Bebauungsplans

Das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe hat einer Fach­klinik­betreiberin vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nutzung­s­än­derung eines benachbarten ehemaligen Hotels in eine Asyl­bewerber­unterkunft gewährt.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Sowohl die Fachklinik - eine Mutter-Kind-Klinik und Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens - als auch das ehemalige Hotel liegen in etwa 265 m Entfernung zueinander im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Schelmenhecke - 2. Änderung" in Waldachtal. Der Bebauungsplan weist im nördlichen Teil, in dem sich die Klinik befindet, ein Sondergebiet 1 aus. Dort sind Kliniken, Sanatorien u.ä. einschließlich der dazugehörigen Nebenanlagen zulässig. Das ehemalige Hotel liegt südlich davon im Sondergebiet 2, in welchem Einrichtungen für den Fremdenverkehr wie Gästezimmer, Ferienwohnungen einschließlich der zugehörigen Neben­ein­rich­tungen sowie Schank- und Speise­wirt­schaften zulässig sind. Ausnahmsweise können im Sondergebiet 2 auch Wohngebäude, private Kranke­n­an­stalten und Kurkliniken zugelassen werden.

Bauherr plant Nutzung­s­än­derung des Hotels in Asylbe­wer­ber­un­terkunft

Unter dem 2. November 2015 beantragte der im vorliegenden Verfahren beigeladene Bauherr für das seit fünf Jahren leer stehende Hotel die Erteilung einer Nutzungsänderung von "Hotel" in eine Asylbe­wer­ber­un­terkunft für mindestens 120 Personen. Die Klinik­be­treiberin erhob hiergegen Einwendungen. Nachdem das Regie­rungs­prä­sidium Karlsruhe eine Abweichung von den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans zugelassen hatte, erteilt der Gemein­de­ver­wal­tungs­verband dem Bauherrn die beantragte Nutzung­s­än­de­rungs­ge­neh­migung. Hiergegen legte die Fachkli­nik­be­treiberin Widerspruch ein und beantragte zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Geplanten Asylbe­wer­ber­un­terkunft stellt keine zugelassene Fremden­ver­kehr­s­ein­richtung dar

Das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe gab dem Antrag statt und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung an. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Nutzung­s­än­de­rungs­vorhaben wohl gegen nachbar­schützende Vorschriften des Bebauungsplans verstoße. Bei der geplanten Asylbe­wer­ber­un­terkunft handele es sich nicht um eine dort zugelassene Fremden­ver­kehr­s­ein­richtung. Sie falle auch nicht unter die nach dem Bebauungsplan ausnahmsweise zulässige Wohnnutzung. Denn die Bewohner könnten aufgrund der Gemein­schafts­un­ter­bringung ihre Haushalts­führung nicht - wie bei einer Wohnnutzung erforderlich - selbst gestalten. Deshalb sei das Vorhaben als eine im Plangebiet nicht zulässige soziale Einrichtung einzuordnen. Eine Befreiung könne nicht erteilt werden.

Ehemaliges Hotel war nur auf maximal 56 Gäste ausgelegt

Zwar lasse § 246 Abs. 14 BauGB es u.a. bei Gemein­schafts­un­ter­künften bis zum 31. Dezember 2019 zu, unter bestimmten Voraussetzungen von Bebau­ungs­plan­vor­schriften abzuweichen, diese Abwei­chungs­vor­aus­set­zungen seien aber wohl schon tatbestandlich nicht erfüllt. § 246 Abs. 14 BauGB verlange nämlich eine strenge Erfor­der­lich­keits­prüfung und lasse es nicht zu, dass die zur Genehmigung gestellte Kapazität der geplanten Unterkunft die nach der Abwei­chungs­vor­schrift zulässige Bedarfsdeckung überschreite. Es spreche einiges dafür, dass eine Überschreitung hier vorliege. Die antragstellende Fachkli­nik­be­treiberin selbst habe dem Landkreis in der Gemeinde alternative Objekte zur Flücht­lings­un­ter­bringung angeboten. Auch spreche vieles dafür, dass in der Gemeinde anderweitige Unter­brin­gungs­mög­lich­keiten für zumindest einen Teil der unter­zu­brin­genden Asylbewerber bestehe. Hinzu komme, dass das ehemalige Hotel auf maximal 56 Gäste ausgelegt sei, weshalb eine Nutzung­s­än­derung, welche die Aufnahme von mehr als doppelt so vielen Personen ermögliche, wohl den rechtlich zugelassenen Umfang überschreite. Zukünftige Unter­brin­gungs­bedarfe könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Regelung des § 246 Abs. 14 BauGB sich wohl an der Zahl der konkret Unter­zu­brin­genden ausrichte.

Besondere Störemp­find­lichkeit der Fachklinik bei Zustimmung zur Nutzung­s­än­derung nicht ausreichend berücksichtig

Die Abwei­chungs­ent­scheidung sei aber auch ermes­sens­feh­lerhaft. Zwar lasse die Baugenehmigung erkennen, dass eine Abwägung der verschiedenen Interessen stattgefunden habe. Die besondere Störemp­find­lichkeit der Fachklinik und die vorgetragenen Argumente der Fachklinik zur Ruhe- und Erholungs­be­dürf­tigkeit der mehrheitlich psychisch gestörten, nicht selten aufgrund häuslicher Gewalt traumatisierten Patienten seien aber nicht hinreichend berücksichtigt worden. Demzufolge verstoße das Nutzung­s­än­de­rungs­vorhaben wohl gegen Festsetzungen des Bebauungsplans zur Nutzungsart. Diese Festsetzungen seien auch nachbar­schützend, weshalb sich die Antragstellerin auf die Verletzung der Vorschriften auch berufen könne.

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online

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