23.11.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Urteil28.04.2022

Polizeihaupt­kommissar wegen Verbreitung von Verschwörungs­theorien und Angehörigkeit zur Reichs­bür­ger­be­wegung aus dem Beamten­ver­hältnis entferntDiszi­pli­na­r­kammer gibt der Polizei­di­rektion Hannover recht

Das Verwal­tungs­gericht Hannover (Diszi­pli­na­r­kammer für Landesbeamte) hat der Diszi­pli­na­rklage der Polizei­di­rektion Hannover gegen einen 58-jährigen Polizeibeamten im Range eines Kriminalhaupt­kommissars stattgegeben und den Polizeibeamten aus dem Dienst entfernt.

Dem Polizeibeamten ist nach Auffassung der Diszi­pli­na­r­kammer zu Recht vorzuwerfen, der sogenannten Reichs­bür­ger­be­wegung anzugehören und auf verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen unter anderem der "Querdenkerszene" Verschwö­rungs­theorien verbreitet sowie staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft zu haben. So hat der Beamte ohne hinreichenden Anlass einen Staats­an­ge­hö­rig­keits­ausweis beantragt, in dem entsprechenden Antragsformular in dem Formularfeld "Geburtsstaat" Preußen angegeben und seinen Bundes­per­so­na­l­ausweis abgegeben mit dem Hinweis, dass dieser nicht mehr benötigt werde.

Keine Anerkennung der Legitimation der Bundesrepublik Deutschland

Für dieses für die Reich­bür­gerszene typische Verhalten konnte der Beklagte der Diszi­pli­na­r­kammer keine nachvoll­ziehbaren Gründe benennen. Der Beamte hat damit nach Auffassung der Diszi­pli­na­r­kammer die Legitimation der Bundesrepublik und seiner föderalen Gliederungen, also des Staates, zu dessen Verfas­sungs­ordnung er sich nach den Vorschriften des Beamtenrechts bekennen und für den er der eintreten soll, nicht vorbehaltlos anerkannt, sondern in Zweifel gezogen. Auch verschiedene öffentliche Äußerungen des Beamten, in denen er darüber räsoniert, ob er Staatenloser sei, entsprechen nach Ansicht des Gerichts diesem reichs­bür­ger­ty­pischen Argumen­ta­ti­o­ns­muster.

Vorwürfe zur Verbreitung von Verschwö­rungs­theorien und der Verunglimpfung staatlicher Institutionen nach Auffassung des Gerichts zutreffend

Auch die Vorwürfe, dass der Beamte Verschwö­rungs­theorien verbreitet und staatliche Institutionen und Organe verunglimpft hat, haben sich zur Überzeugung des Gerichts als zutreffend erwiesen. Das Gericht bezog sich dabei unter anderem auf die in öffentlichen Redebeiträgen enthaltenen Ausführungen zu geheimen Umsturzplänen und Militä­r­ope­ra­tionen und auf die in der umfangreichen Diszi­pli­na­r­kla­ge­schrift und den beigezogenen Akten dokumentierten Andeutungen des Beamten, beispielsweise, dass unter dem Flughafen in Berlin und dem Bahnhof in Stuttgart Bunker errichtet werden, in denen sich Migranten aufhalten, die darauf vorbereitet werden, gegen das deutsche Volk aufzubegehren. Dies gilt auch, soweit der Beamte das staatliche Handeln im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen in eine Reihe mit dem Handeln des Naziregimes gestellt und Parallelen der heutigen Polizei zu SS, SA und SD angedeutet hat oder Polizeibeamte im Dienst als Söldner ohne staatliche Eingriffs­be­fugnisse diskreditiert hat.

Nicht mehr hinnehmbares Dienstvergehen

Zur Überzeugung der Diszi­pli­na­r­kammer hat der Beamte damit gegen seine Treuepflicht, gegen das Mäßigungs- und Zurück­hal­tungs­verbot und gegen die Wohlver­hal­tenspflicht verstoßen und ein schweres Dienstvergehen begangen. Das Gericht hat dies als im Wesentlichen außer­dienst­liches, in Teilbereichen auch inner­dienst­liches Dienstvergehen bewertet, welches auch unter Berück­sich­tigung der Meinungs­freiheit des Beklagten nicht mehr hinnehmbar ist und das zu einer endgültigen Zerstörung des Vertrau­ens­ver­hält­nisses zu seinem Dienstherrn geführt hat. Auch wenn das dienstliche Verhalten des Beamten in seiner über 40-jährigen Tätigkeit im Polizeidienst des Landes Niedersachsen keinen Grund zur Beanstandung gegeben hat, hat das Gericht deshalb die schwerste Diszi­pli­n­a­r­maßnahme verhängt und den Beamten aus dem Beamten­ver­hältnis entfernt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil ist die Berufung beim Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­gericht zulässig.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, ra-online (pm/cc)

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