18.10.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Urteil14.07.2014

Polizei darf ohne konkreten Anlass bei Versammlungen keine Beobach­tungs­kameras einsetzenGrundloses Bereithalten einer ausgefahrenen Beobach­tungs­kamera verletzt die Versammlungs­freiheit

Das Verwal­tungs­gericht Hannover hat entschieden, dass das Bereithalten einer ausgefahrenen Beobach­tungs­kamera durch die Polizei ohne einen konkreten Anlass die Versammlungs­freiheit verletzt und daher unzulässig ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 21. Januar 2012 fand in Bückeburg eine Versammlung mit ca. 500 Teilnehmern zum Thema "Farbe bekennen - Für Demokratie und Vielfalt " statt, die im Internet auch unter der Überschrift "Same Shit. Different year - kein Rückzugsraum für Nazis" beworben wurde. Die Teilnehmer zogen auf einer festgelegten Route durch Bückeburg und hielten auf dem Rathausplatz eine Zwischen­kund­gebung ab.

Teilweise ausgefahrene Kameras waren nach Angaben der Polizei­di­rektion nicht im Einsatz

Nach der Lagebeurteilung der Polizei im Vorfeld konnte ein unfriedlicher Verlauf der Versammlung angesichts einer hohen Konflikt­be­reit­schaft gerade von in Bückeburg ansässigen Angehörigen der rechten bzw. linken Szene nicht ausgeschlossen werden. Die Polizei­di­rektion Göttingen setzte im Rahmen ihres begleitenden Einsatzes unter anderem ein Fahrzeug des Beweis- und Dokumen­ta­ti­o­ns­trupps ein, das in der Nähe der Einmündung einer auf den Rathausplatz führenden Straße abgestellt war. Dieses Fahrzeug verfügt über eine so genannte Mastkamera, die durch eine Öffnung im Dach des Fahrzeugs bis auf rund 4 Meter ausgefahren werden kann. Das dauert knapp 40 Sekunden. Während der Versammlung war der Mast mit der Kamera auf ca. die Hälfte der maximalen Höhe ausgefahren. Nach Angaben der Polizei­di­rektion war die Kamera aber nicht im Einsatz. Die Versammlung verlief friedlich.

Grundrecht umfasst auch "innere" Versamm­lungs­freiheit von Teilnehmern

Der Kläger fühlte sich auf Grund der Einsatz­mo­da­litäten des Beobach­tungs­fahr­zeuges in seiner Versammlungsfreiheit verletzt. Dieser Wertung schloss sich das Verwal­tungs­gericht Hannover an. Das Grundrecht umfasse auch die so genannte "innere" Versamm­lungs­freiheit von (potenziellen) Teilnehmern. Diese werde schon dann berührt, wenn bei den (potenziellen) Teilnehmern der Eindruck entstehen könne oder müsse, dass die Polizei von dem Versamm­lungs­ge­schehen Bild- und/oder Tonaufnahmen anfertige oder übertrage. Dabei komme es für die Grund­rechts­be­trof­fenheit nicht entscheidend darauf an, ob das tatsächlich der Fall sei, denn ein Versamm­lungs­teil­nehmer, zumal wenn er sich in einiger Entfernung vom Beobach­tungswagen befinde, könne von außen nicht hinreichend sicher beurteilen, ob die Kamera tatsächlich laufe oder nicht. Eine Beobach­tungs­kamera in der geschehenen Weise für einen Einsatz bereit zu halten, sei als Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr auf der Basis des § 12 Nds. Versamm­lungs­ge­setzes nur dann erforderlich und damit gerechtfertigt, wenn nach den konkreten Umständen ein unfriedlicher Verlauf des Versamm­lungs­ge­schehens unmittelbar bevor stehe. Das sei bei der betroffenen Versammlung unstreitig nicht der Fall gewesen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechtes der Versamm­lungs­freiheit müsse die Polizei grundsätzlich die geringe Verzögerung, die eine Herstellung der Einsatz­be­reit­schaft einer zunächst komplett eingefahrenen Kamera mit sich bringe, hinnehmen.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover/ra-online

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