Bundesgerichtshof Beschluss29.07.2022
Bei fehlendem Vermerk des Zustelldatums auf Briefumschlag liegt Zustellung mit tatsächlichem Zugang des Schreibens vorPflicht zum Vermerk des Zustelldatums auf Umschlag
Wird entgegen von § 180 Satz 3 ZPO das Zustelldatum vom Zusteller nicht auf den Briefumschlag vermerkt, so liegt eine Zustellung des Schreibens erst vor, wenn es dem Empfänger tatsächlich zugeht. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen einer vor dem Anwaltsgerichtshof Berlin geführten Auseinandersetzung über den Widerruf einer Anwaltszulassung war es streitig, zu welchem Zeitpunkt dem Anwalt das Widerrufsschreiben zugestellt wurde und ob die Klage gegen den Widerruf zu spät erfolgte. Das Schreiben wurde dem Anwalt am 17.02.2016 in den Briefkasten seines Büros eingeworfen. Das Datum wurde vom Zusteller aber nicht auf den Umschlag der Sendung vermerkt. Aufgrund einer Erkrankung entnahm der Anwalt erst am 19.02.2016 das Schreiben aus dem Briefkasten.
Anwaltsgerichthof hielt Klage für verspätet
Der Anwaltsgerichtshof Berlin hielt die Klage gegen den Widerruf für verspätet. Das Widerrufsschreiben sei dem Kläger am 17.02.2016 wirksam zugestellt worden. Es sei unerheblich, dass das Zustelldatum nicht auf den Umschlag notiert wurde. Dies sei kein notwendiger Bestandteil der Zustellung. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Klägers.
Bundesgerichtshof sieht Zustellung erst mit tatsächlichem Zugang des Schreibens
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers. Wird das Zustelldatum entgegen von § 180 Satz 3 ZPO nicht auf den Umschlag vermerkt, gelte das Schriftstück gemäß § 189 ZPO und § 8 VwZG erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt. Bei der Vorschrift des § 180 Satz 3 ZPO handele es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift. Damit sei dem Kläger das Widerrufsschreiben am 19.02.2016 zugestellt worden, da er erst an diesem Tag das Schreiben in die Hand bekommen hat.
Pflicht zum Vermerk des Zustelldatums auf Umschlag
Die Notwendigkeit des Vermerks des Zustelldatums auf den Umschlag erkläre sich daraus, so der Bundesgerichtshof, dass bei einer Übergabe des Schriftstücks von Person zu Person dem Empfänger klar sei, wann er das Schriftstück erhalten hat. Wird das Schriftstück dagegen in den Briefkasten eingelegt und wird dieser wegen Urlaubs oder Krankheit nicht täglich kontrolliert, könne der Zeitpunkt des Eingangs nicht mehr sicher bestimmt werden. Durch die Vorschrift des § 180 Satz 3 ZPO solle dieser Nachteil ausgeglichen werden. Damit stelle nicht nur die Einlegung in den Briefkasten, sondern auch der Vermerk des Zustelldatums ein Ersatz für die körperliche Übergabe dar und sei somit als notweniger Teil der Bekanntgabe anzusehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.06.2025
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)
der Leitsatz
VwZG § 3 Abs. 2, § 8; ZPO § 180 Satz 3
Vermerkt der Zusteller entgegen § 3 Abs. 2 VwZG, § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht, gilt das Dokument gemäß § 8 VwZG erst in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.