21.11.2024
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Dokument-Nr. 28191

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Verwaltungsgericht Gießen Urteil19.11.2019

Schwer­be­hin­derter Prüfling hat keinen Anspruch auf persönliche AssistenzVG Gießen zu den Grenzen von Prüfungs­erleichterungen für schwer­be­hinderte Prüflinge

Das Verwal­tungs­ge­richts Gießen hat die Klage eines schwer­be­hin­derten Prüflings abgewiesen, der für seine Abschluss­prüfung zum Verkäufer als Nachteils­aus­gleich eine persönliche Assistenz begehrt, die für ihn Prüfungsfragen in sog. einfache Sprache überträgt und ihm Unterstützung bei der Formulierung seiner Antworten auf diese Fragen gibt.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, der nach einer Hirnblutung an den Folgeschäden einer Gesichts­feld­ein­schränkung und einer Sprachstörung (Aphasie) leidet, hatte in der Vergangenheit für seine schriftlichen Prüfungen bereits Zeitver­län­ge­rungen um ein Drittel der Prüfungszeit erhalten, die die Industrie- und Handelskammer nach einem der mündlichen Verhandlung voraus­ge­gangenen Erörte­rungs­termin vor dem Gericht auf 50 % der Prüfungszeit verlängert hatte. Außerdem wurden die Prüfungs­aufgaben für ihn optisch vergrößert.

VG verneint Anspruch auf persönliche Assistenz

Die Bereitstellung einer persönlichen Assistenz für die mündliche Prüfung lehnte das Verwal­tungs­gericht nach Auswertung fachärztlicher Gutachten und Anhörung der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen jedoch ab. Zwar gebiete das Gebot auf Chancengleichheit, dass bei Prüfungen die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden müssten. Ihnen sei daher grundsätzlich ein Nachteilsausgleich zu gewähren, um chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der Leistungs­an­for­de­rungen herzustellen.

Wahrer Leistungsstand muss erkennbar bleiben

Dies finde aber seine Grenzen, wenn durch den Nachteils­aus­gleich - hier in Form der geforderten persönlichen Assistenz - der wahre Leistungsstand im Vergleich zu den Mitprüflingen nicht mehr ermittelbar wäre. Die Gewährung eines Nachteils­aus­gleichs scheide mithin aus, wenn die Einschränkungen, denen der Betroffene unterworfen ist, den Kernbereich der Fähigkeiten beträfen, die mit der jeweiligen Prüfung gerade festgestellt werden sollen (Beispiel: Eine Person, die blind ist, kann nicht Berufs­kraft­fahrer werden).

Nachteils­aus­gleich in Form einer persönlichen Assistenz rechtlich nicht zulässig

Nach Ansicht der Kammer spreche im Falle des Klägers einiges dafür, dass seine sprachlichen Einschränkungen einen Kernbereich des Leistungsbildes seines Ausbil­dungs­berufes beträfen. In diesem Fall sei die hier begehrte Form des Nachteils­aus­gleichs rechtlich nicht zulässig. Denn durch den Nachteils­aus­gleich in Form einer persönlichen Assistenz, die Fragen vereinfache und damit u.U. auch Inhalt und Aufga­ben­stellung verändere, und zudem Hilfe bei der Formulierung von Antworten leiste, wäre der wahre Leistungsstand des Klägers im Vergleich zu seinen Mitprüflingen nicht mehr ermittelbar.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen, ra-online

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