Verwaltungsgericht Gießen Urteil28.03.2011
VG Gießen: Staatliches Glücksspielmonopol steht Vermittlung von Sportwetten nicht entgegenMaßnahmen zur Eindämmung der Spielsucht nicht in anderen Bereichen des Glücksspiels ausreichenden ergriffen
Das Verwaltungsgericht Gießen hat mangels ausreichend getroffener Maßnahmen zur Eindämmung von Spielsucht in allen Bereichen des Glücksspiels zwei Verbote für die Vermittlung von Sportwetten aufgehoben und in einem weiteren Fall dessen Rechtswidrigkeit festgestellt.
Im zugrunde liegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht Gießen im Anschluss an eine – von ihr eingeholte – Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und gestützt auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem vergangenen Jahr zu untersuchen, ob sich das staatliche Glücksspielmonopol, das einer Genehmigung der von den Klägern beabsichtigten Sportwettenvermittlung entgegensteht, nach europäischen Vorgaben rechtfertigen lässt.
EuGH: Staat muss in jeder Hinsicht Anstrengungen zur Eindämmung der Spielsucht unternehmen
Der EuGH hatte zur Rechtfertigung eines Glücksspielmonopols, dessen Ziel die Eindämmung der Spielsucht ist, verlangt, dass der Bereich des Glücksspiels insgesamt in den Blick genommen und untersucht wird, ob auch in anderen Bereichen „kohärente“ und systematische Anstrengungen zur Eindämmung der Spielsucht unternommen werden. Der Staat darf also die Spielsucht nicht in einem Bereich bekämpfen und in anderen Bereichen außer Acht lassen oder sogar fördern (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 08.09.2010 - C-409/06, C-316/07, C-358/07, C-359/07, C-360/07, C-409/07 und C-410/07, C-46/08 -).
Verbot der Sportwetten nicht gerechtfertigt
Das Verwaltungsgericht stellte nun fest, dass in anderen Bereichen des Glücksspiels keine ausreichenden Maßnahmen zur Eindämmung der Spielsucht ergriffen werden und daher auch ein Verbot der Sportwetten nicht zu rechtfertigen sei. Denn im Bereich der Spielautomaten, wo nach aktuellen Erkenntnissen die Zahl der Konzessionen, Spielhallen und aufgestellten Geräte ebenso steige wie die Zahl der Spielsüchtigen, habe der Staat in den letzten Jahren sogar eine Erweiterung des Angebots ermöglicht. So sei z.B. die Anzahl der in Gaststätten erlaubten Geräte durch eine Änderung der Spielverordnung erhöht worden. Aber auch der Bereich der staatlichen Lotterie werde mittlerweile nachdrücklicher beworben und damit nicht unbedingt das Ziel der Eindämmung der Spielsucht gefördert.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.04.2011
Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online