21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Verwaltungsgericht Gießen Urteil04.03.2010

VG Gießen: Fehlerhafte Ausstellung eines nerven­ärzt­lichen Attestes stellt Verstoß gegen Berufspflicht darÄrztlicher Berufsstand nachhaltig erschüttert – Psychiater zu Geldbuße verurteilt

Ein Psychiater, der ein ärztliches Zeugnis (Attest) ausstellt, ohne sich zuvor mit der fachlich erforderlichen Sorgfalt und unter Anwendung der fachlichen Regeln von der Richtigkeit seines Inhalts überzeugt, verstößt gegen seine Berufspflichten. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Gießen und erteilte dem Facharzt einen Verweis und legte ihm eine Geldbuße in Höhe von 2000,- Euro auf.

Dem Verfahren lag die Anzeige eines Vorsitzenden Richters bei einem Hessischen Verwal­tungs­gericht zugrunde, dem vom Kläger in dessen Asylverfahren ein nerven­ärzt­liches Attest des beschuldigten Arztes vorgelegt worden war, das nach Einschätzung des Richters fehlerhaft war.

Ärztlich bescheinigte Behandlungen haben nicht stattgefunden

In dem Attest wurde ärztlicherseits bestätigt, dass der Kläger jenes Asylverfahrens unter einer posttrau­ma­tischen Belas­tungs­störung leide und sich seit einem bestimmten Datum regelmäßig in psycho­the­ra­peu­tischer Behandlung des beschuldigten Arztes befinde und 14tägige Gespräche geführt würden. Dies traf jedoch, wie der Richter im Asylverfahren feststellte, nicht zu. Vielmehr war der Kläger nur zweimal in der Praxis des Beschuldigten gewesen, eine Behandlung hatte bisher noch nicht stattgefunden. Nach den eigenen Angaben des Beschuldigten hatte er ihm bei seinem ersten Erscheinen in der Praxis im Februar 2008 ein Behand­lungs­angebot für den Fall gemacht, dass er in der Zukunft kranken­ver­sichert werden sollte. Im Mai 2008 war er dann unangemeldet in der Praxis erschienen, um das in Rede stehende Attest zu erhalten, das er dringend für die bevorstehende mündliche Verhandlung vor dem Verwal­tungs­gericht in seinem Asylverfahren benötigte. Eine Behandlung hatte beide Male nicht stattgefunden.

Nach Auffassung des Berufsgerichts bestand der Sinn der unrichtigen Tatsa­chen­be­haup­tungen in dem Attest darin, dem Verwal­tungs­gericht den Eindruck zu vermitteln, die angeblich vom beschuldigten Arzt selbstgestellte Diagnose "posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung mit Depression und Angstzuständen" beruhe auf einem Erkenntnisstand des Arztes, der das Stellen dieser Diagnose fachlich kompetent zulasse. Wörtlich heißt es in dem Urteil:

"Dementsprechend steht die abschließende Aussage in dem Attest vom ……., der Patient sei "weiterhin nicht abschiebefähig" ohne entsprechende konkrete ärztliche Erkenntnis, allenfalls aufgrund von Äußerungen des Patienten, die gerade nicht - wie es aber nach der ihm obliegenden ärztlichen Sorgfalt geboten gewesen wäre - von ihm auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft worden waren, ohne hinreichenden Erkenntniswert für das Verwal­tungs­gericht zur Berück­sich­tigung in dem Entschei­dungs­fin­dungs­prozess. Erkennbar sollte damit das Verwal­tungs­gericht, welches im anstehenden Gerichtstermin des Patienten über die Frage seiner Abschiebung in sein Herkunftsland zu entscheiden hatte, unter Außer­acht­lassung der dem Beschuldigten als Angehörigen des ärztlichen Berufsstandes obliegenden Neutra­li­täts­pflicht in eine bestimmte Richtung beeinflusst werden."

Arzt muss bei Ausstellen eines Attests "Wünsche" des Patienten unberück­sichtigt lassen

Das Verwal­tungs­gericht Gießen stellte in seinem Urteil fest, dass die Berufspflicht eines Arztes gemäß § 25 S 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen uneingeschränkt und ohne Ansehen der Wünsche eines "Auftraggebers" - sei es zum Beispiel der Patient selbst oder eine öffentliche Stelle - gelte. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung seien Vorgaben oder tatsächliche oder vermeintliche Erwar­tungs­hal­tungen eines Dritten, wozu einerseits der Patient selbst, andererseits auch die Auftraggeber zählten, vom Arzt bei Erstellung eines Gutachtens wie auch eines Zeugnisses ("Attestes") unberück­sichtigt zu lassen.

Verstoß eines Arztes bedarf nachhaltiger Sanktionierung

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit der Angehörigen des ärztlichen Berufsstandes werde durch fehlerhafte Vorgehensweisen bei Ausstellung von Gutachten oder Zeugnissen nachhaltig erschüttert. Die Auswirkungen des Gebrauchmachens von solchen Gutachten oder Attesten könnten erheblicher Natur sein und zu Fehlent­schei­dungen führen. Verstöße bedürften daher einer nachhaltigen Sanktionierung.

Quelle: ra-online, VG Gießen

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