18.10.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Beschluss24.01.2013

Einseitiger Inter­ne­t­auftritt eines Sachver­ständigen kann Besorgnis der Befangenheit begründenGestaltung der Internetseiten kann Eindruck fehlender Neutralität des Sachver­ständigen erwecken

Hebt ein medizinischer Sachver­ständiger auf seiner Homepage ganz offensichtlich seine Patientennähe her und betont massiv die kritische Distanz zu Klinik­be­treibern, kann dies die Besorgnis der Befangenheit des Sachver­ständigen im Gerichts­ver­fahren unter Beteiligung von Klinik­be­treibern begründen. Denn in einem solchen Fall kann ein Sachver­ständiger den Eindruck der fehlenden Neutralität erwecken. Es ist aber seine Pflicht, im gerichtlichen Verfahren den Anschein der Vorein­ge­nom­menheit und Parteilichkeit gerade zu vermeiden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Im zugrunde liegenden Fall erstatte der Sachverständige in einem Schaden­s­er­satz­prozess einer Patientin gegen eine Mainzer Klinik, deren Geschäftsführer, die behandelnde Anästhesistin und eine Medizin­stu­dentin ein mündliches Gutachten. Drei Beklagte lehnten ihn im Anschluss wegen der Besorgnis der Befangenheit u.a. mit der Begründung ab, der Sachverständige sei auf seiner Homepage in pauscha­li­sie­render Weise gegen die Behandlerseite eingestellt und damit als gerichtlich eingesetzter Gutachter nicht unvor­ein­ge­nommen.

OLG hält Ableh­nungs­gesuch der Beklagten für begründet

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortigen Beschwerden hat der 4. Zivilsenat des Oberlan­des­ge­richts Koblenz nun das Ableh­nungs­gesuch der Beklagten für begründet erklärt.

Internet-Auftritt hebt ausdrücklich und mehrfach Patientennähe und kritische Distanz zu Klinik­be­treibern hervor

Das Gericht führt in seinem Beschuss aus, dass die Gestaltung der Homepage des Sachver­ständigen das Misstrauen gegen die von ihm im gerichtlichen Verfahren zu fordernde Unpar­tei­lichkeit und Unvor­ein­ge­nom­menheit rechtfertige. Er hebe in dem Internet-Auftritt ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervor. Es gehe ihm erkennbar und grundsätzlich darum, eine kritische Distanz zu den Klinik­be­treibern zu dokumentieren, denen er pauschal organi­sa­to­rische Mängel, Behand­lungs­fehler und Gewinnstreben unterstelle. Die Homepage sei geprägt von seiner veröf­fent­lichten Meinung, infolge einer zu missbilligenden, am Gewinnstreben orientierten schlechten Organisation der Patien­ten­ver­sorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen komme es zu Patien­ten­schä­di­gungen. Die Überschrift "Patien­ten­si­cherheit vs. Sparen" präsentiere er dabei als "Grundidee". Auf nahezu allen Seiten der Internetpräsenz fänden sich Darstellungen dieser Problematik, ausschließlich mit der Maßgabe, der Fehler liege auf Behand­lungsseite. Die Beklagten hätten daher berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit des Gutachters.

Zum Ausdruck kommendes Streben nach Patien­ten­si­cherheit grundsätzlich anerkennenswert

Dabei hat das Gericht klarstellend betont, dass die Darstellungen des Sachver­ständigen im Rahmen seines Inter­ne­t­auf­tritts nicht grundsätzlich zu missbilligen sein. Vielmehr sei das zum Ausdruck kommende Streben nach Patien­ten­si­cherheit anerkennenswert. Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden sei jedoch der Umstand, dass der Sachverständige infolge seiner bewussten und veröf­fent­lichten Hinwendung ausschließlich zu Patien­ten­in­teressen und der Schaffung einer erkennbaren Distanz zu den Klinik­be­treibern aus deren Sicht als Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren nicht mehr als unvor­ein­ge­nommen anzusehen ist.

Sachver­ständiger überschreitet Grenzen des Gutach­ten­auftrags

Ergänzend führte das Gericht aus, dass der Sachverständige bei der Erstattung seines Gutachtens vor dem Landgericht die Grenzen seines Gutach­ten­auftrags überschritten und zu Themen Stellung genommen hat, zu denen er nicht beauftragt war.

Im Anschluss an den Beschluss des Senats wird nun das Landgericht über die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Sachver­stän­di­gen­gut­achtens zu entscheiden haben.

Hintergrund:

Erläuterungen
Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§ 42 Abs. 1 u. 2 ZPO). Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unabhängigkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvor­ein­ge­nommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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