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Dokument-Nr. 12936

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss16.01.2012

Bloße Selbst­über­schätzung macht Ärztin nicht zwingend unzuverlässigPräventive Anordnung zum Ruhen der Approbation unver­hält­nismäßig

Bei einer Hebamme, die bei einer Hausgeburt mindestens bedingt vorsätzlich den Tod eines Kindes in Kauf genommen haben soll, um einem aus ihrer Sicht „natürlichen“ Geburtsvorgang Vorrang einzuräumen, kann nicht präventiv das Ruhen der Approbation angeordnet werden. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen und erklärte die sofortige Vollziehbarkeit der präventiven Maßnahmen für unver­hält­nismäßig.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist seit mehr als 30 Jahren als Hebamme tätig und seit über 25 Jahren auch als Ärztin zugelassen. Die als Aufsichts­behörde für die ärztliche Tätigkeit der Antragstellerin zuständige Bezirks­re­gierung Arnsberg hat das Ruhen der ärztlichen Approbation angeordnet, weil die Antragstellerin vor dem Landgericht Dortmund wegen Totschlags angeklagt wurde. Ihr wird vorgeworfen, 2008 bei der Geburtshilfe während einer Hausgeburt mindestens bedingt vorsätzlich den Tod des Kindes in Kauf genommen zu haben, um einem aus ihrer Sicht „natürlichen“ Geburtsvorgang Vorrang einzuräumen.

Verhalten der Hebamme nicht mit ärztlichen Berufspflichten vereinbar

Eine derartige Einstellung wäre mit den ärztlichen Berufspflichten nicht zu vereinbaren. Die Bunde­s­ärz­te­o­rdnung sieht in derartigen Fällen zum Schutz der Patienten die Möglichkeit vor, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Wenn eine Gefährdung zu besorgen ist, reicht dazu die Einleitung eines Strafverfahrens aus; eine rechtskräftige Verurteilung ist dagegen nicht erforderlich. Die im Strafrecht geltende Unschulds­ver­mutung greift insoweit nicht, da es nicht um eine Bestrafung der Ärztin geht, sondern um den Schutz der ihr anvertrauten Patienten.

Gericht erklärt präventive Maßnahme des Ruhens der Approbation für unver­hält­nismäßig

Das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen hat jedoch im vorliegenden Fall sowohl die präventive Maßnahme des Ruhens der Approbation als auch die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit als unver­hält­nismäßig angesehen.

Bloße Überschätzung des eigenen Könnens darf nicht ohne Weiteres Unzuver­läs­sigkeit für Arztberuf begründen

Dass die weitere Berufstätigkeit der Antragstellerin konkrete Gefahren für die Patienten befürchten lasse, sei nicht ersichtlich, weil der angeklagte Vorfall in der langjährigen Praxis der Antragstellerin einzigartig sei und keine weiteren Berufs­pflicht­ver­let­zungen aktenkundig seien. Die Ihr vorgeworfene Einstellung, den Tod eines Kindes in Kauf zu nehmen, weil sie medizinische Eingriffe in den Geburtsvorgang prinzipiell ablehne, lasse sich nicht feststellen. Es sprächen zwar gewisse Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin offensichtlich der Auffassung sei, Risikogeburten „auf natürlichem Wege“ zu beherrschen; eine solche bloße Überschätzung eigenen Könnens als Ärztin und/oder Hebamme dürfte aber nach Auffassung der Kammer die Unzuver­läs­sigkeit für den Arztberuf nicht ohne Weiteres begründen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die von der Antragstellerin betriebene Arztpraxis die Geburtshilfe nicht umfasse, so dass ein - vorläufiger - Eingriff in den ärztlichen Beruf, der allein Gegenstand der streit­ge­gen­ständ­lichen Approbation ist, nicht die geeignete Maßnahme wäre.

Sofortvollzug des Ruhens der Approbation nicht erforderlich

Darüber hinaus fehle es an tragfähigen Anhaltspunkten dafür, dass die Antragstellerin auch unter dem Druck der laufenden Verfahren an einer etwaigen Fehleinstellung zu ihren beruflichen Pflichten festhalten könnte. Ein Sofortvollzug der Maßnahme scheine mit Rücksicht darauf nicht erforderlich, so dass die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage wieder­her­ge­stellt hat. Das von der Bezirks­re­gierung Arnsberg angeordnete Ruhen der Approbation entfaltet nun bis zu einer Entscheidung über die Hauptsacheklage keine rechtlichen Wirkungen.

Quelle: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen/ra-online

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