18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 15720

Drucken
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Braunschweig Urteil25.04.2013

Oberbür­ger­meister darf Anträge auf Auskunft und Akteneinsicht von Ratsmitgliedern nicht wegen unzureichender Begründung ablehnenBürgermeister muss Ratsmitglieder umfassend informieren

Bürger­meis­te­rinnen und Bürgermeister müssen Ratsmitgliedern in Angelegenheiten der Kommune auf Antrag grundsätzlich umfassend Auskunft und Akteneinsicht gewähren. Die Anträge müssen nicht begründet werden. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Braunschweig.

Im zugrunde liegenden Streitfall erklärte das Verwal­tungs­gericht zwei Entscheidungen des Braunschweiger Oberbür­ger­meisters für rechtswidrig. Dieser hatte der BIBS-Fraktion Akteneinsicht und einem Abgeordneten der Piratenpartei im Stadtrat Auskunft verweigert, weil die Anträge nicht ausreichend begründet seien.

Abgeordneter verlangt Übersendung einzelner Verträge im Wortlaut

Der Abgeordnete der Piratenpartei hatte vom Oberbür­ger­meister zunächst die Information verlangt, welche Verträge die Stadt mit einem Münzhändler oder einem seiner Unternehmen geschlossen habe. Nachdem der Oberbür­ger­meister eine Auflistung der Verträge übersandt hatte, beantragte der Abgeordnete, ihm bestimmte Verträge aus der Liste im Wortlaut zu übersenden; damit solle geklärt werden, inwieweit die Stadt ihre Handlungs­mög­lich­keiten beschränkt habe. Der Oberbür­ger­meister lehnte die Vorlage der Verträge ab und verlangte stattdessen, "konkrete Tatsachenfragen" zu den Verträgen zu stellen; das gesetzliche Auskunftsrecht gebe den Ratsmitgliedern nur einen Anspruch auf Mitteilung von Tatsachen.

Innen­mi­nis­terium: Oberbür­ger­meister hat mit Übersendung der Liste Auskunfts­pflicht erfüllt

Die vom Kläger eingeschaltete Kommu­na­l­aufsicht beim Nieder­säch­sischen Innen­mi­nis­terium vertrat die Rechts­auf­fassung, der Oberbür­ger­meister habe mit der Übersendung der Liste seine Auskunfts­pflicht erfüllt. Der Abgeordnete erhob daraufhin Klage beim Verwal­tungs­gericht mit dem Antrag, den Oberbür­ger­meister zu verpflichten, den Wortlaut der Verträge mitzuteilen.

BIBS verlangt Einsicht in Verträge der Stadt über Schenkungen und Medien­dienst­leis­tungen

In dem zweiten Verfahren ging es um ein von der Fraktion der Bürge­r­i­n­i­tiative Braunschweig (BIBS) geltend gemachtes Recht auf Akteneinsicht. Die Fraktion hatte beim Oberbür­ger­meister beantragt, ihrem Vorsitzenden Einsicht in vier Verträge der Stadt über Schenkungen und Medien­dienst­leis­tungen zu gewähren, die in der erwähnten Liste aufgeführt waren. Dazu wies die BIBS auf die Kontrollpflicht des Rates hin und machte geltend, die Kontrolle sei geeignet, "Schlamperei, Korruption und Begünstigung der Verwaltung" entge­gen­zu­wirken.

Oberbür­ger­meister lehnte Antrag wegen mangelnder Darlegung eines konkreten Kontroll­in­teresses ab

Der Oberbür­ger­meister lehnte den Antrag ab, weil es an der "Darlegung eines konkreten Kontroll­in­teresses" fehle und nicht schlüssig begründet sei, "welche Anhaltspunkte es für die Kontroll­not­wen­digkeit" gebe. Nachdem die Fraktion Klage erhoben und weitere Ausführungen zu ihrem Antrag auf Akteneinsicht gemacht hatte, erklärte der Oberbür­ger­meister er sehe den Kontrollzweck nunmehr als hinreichend dargelegt an und werde die Akteneinsicht jetzt ermöglichen. Die BIBS-Fraktion stellte ihre Klage daraufhin um. Sie beantragte festzustellen, dass der Oberbür­ger­meister verpflichtet war, Einsicht in die Verträge zu gewähren.

Oberbür­ger­meister war zur unein­ge­schränkten Auskunft verpflichtet

Das Verwal­tungs­gericht Braunschweig verurteilte den Oberbür­ger­meister dazu, dem Abgeordneten der Piratenpartei den Wortlaut der Verträge mitzuteilen. Außerdem entschied das Gericht, dass der Oberbür­ger­meister der BIBS-Fraktion die Akteneinsicht von vornherein nicht verwehren durfte. Eine Darlegung der Motive oder eine sonstige Begründung habe der Oberbür­ger­meister in beiden Fällen nicht verlangen dürfen. Eine solche Einschränkung des Auskunfts- und Akten­ein­sichts­rechts sehe das Kommu­na­l­ver­fas­sungs­gesetz nicht vor. Dies ergebe sich auch aus der Aufgabe der Ratsmitglieder: Jedes Ratsmitglied habe das Recht und die Pflicht, eigen­ver­ant­wortlich an den Aufgaben des Rates und der Kommune mitzuwirken. Nur wenn die Ratsmitglieder so umfassend wie möglich unterrichtet sind, können sie diese Aufgaben effektiv erfüllen. Dazu müssen sie selbst darüber entscheiden können, welche Informationen sie für ihre Arbeit benötigen. Darüber hinaus - so das Gericht weiter - könnte der Rat seine umfassende Pflicht, den Oberbür­ger­meister zu überwachen, nicht ausreichend erfüllen, wenn Infor­ma­ti­o­ns­rechte von der Benennung eines konkreten Anlasses abhingen.

Auskunft und Akteneinsicht darf nur in Ausnahmefällen verweigert werden

Auskunft und Akteneinsicht dürfe der Oberbür­ger­meister nur in engen Grenzen verweigern. Das sei der Fall, wenn Ratsmitglieder Anträge rechts­miss­bräuchlich, nur zum Schein oder ohne Bezug zum Mandat stellen oder wenn die Funktions- und Arbeits­fä­higkeit der Verwaltung beeinträchtigt werde. Außerdem bestimme das Gesetz ausdrücklich, dass die Rechte nicht für Angelegenheiten gelten, die der besonderen Geheimhaltung unterliegen. Das sei aber nur dann anzunehmen, wenn die Geheimhaltung speziell vorgeschrieben oder im Einzelfall von der dazu befugten staatlichen Behörde angeordnet sei. Einer dieser Ausnahmefälle liege hier unstreitig nicht vor.

Gericht erklärt umgestellte Klage der BIBS-Fraktion für zulässig

Die umgestellte Klage der BIBS-Fraktion hat das Gericht als zulässig angesehen, obwohl der Oberbür­ger­meister ihrem Antrag auf Akteneinsicht inzwischen stattgegeben hat. Der Oberbür­ger­meister hatte angekündigt, er werde auch künftig Anträge auf Akteneinsicht ablehnen, die nicht hinreichend begründet seien. Das Gericht entschied daher: Die Fraktion habe ein berechtigtes Interesse daran, die grundsätzliche Rechtsfrage vor einem möglichen neuen Konflikt gerichtlich klären zu lassen.

Quelle: Verwaltungsgericht Braunschweig/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15720

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI