21.11.2024
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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss04.09.2009

Körperwelten: "Schwebender Akt" verbotenPräsentation gleicht eher Showeffekt als Darstellung aus wissen­schaft­lichen Gründen

Das Verbot, das Exponat „Schwebender Akt“ in der Ausstellung „Körperwelten“ öffentlich zu zeigen wurde unter Androhung von Zwangsgeld bestätigt. Auch die Anordnung der Stadt Augsburg, der Ausstellung weitere Exponate, die offen den Geschlechts­verkehr zeigen, hinzuzufügen, ist im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden. Die entschied das Verwal­tungs­gericht Augsburg.

Das Verwal­tungs­gericht hat in seiner Entscheidung, die nach Durchführung eines Ortstermins erging, unter anderem ausgeführt, dass Rechtsgrundlage des Bescheides die Bestimmungen des Bayerischen Bestat­tungs­ge­setzes seien (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Art. 5 Satz 1 BayBestG). Auch bei verfas­sungs­kon­former Auslegung dieser Bestimmungen sei eine Verletzung der Würde der Verstorbenen bzw. des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit anzunehmen. Die Antrag­stel­lererin könne sich zwar auf das Grundrecht der Wissen­schafts­freiheit berufen. Dieses Grundrecht sei aber durch verfas­sungs­im­manente Schranken, hier durch das Grundrecht der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), beschränkt. Bei der öffentlichen Ausstellung des Exponats „Schwebender Akt“ handele es sich um einen nicht gerecht­fer­tigten Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde, die über den Tod hinaus wirke und zur Folge habe, dass auch der Leichnam einer Person nicht wie beliebige Materie behandelt werden könne. Die didaktische Zielsetzung, mittels zweier Ganzkör­per­plas­tinate die beim Geschlechtsakt ablaufenden Vorgänge anatomisch zu verdeutlichen und zur Aufklärung der Besucher beizutragen, scheine hier nur vorgeschoben zu sein, weil sie in Anbetracht des im Vordergrund stehenden Versuchs des Plastinators, auf die „emotionale Seite“ des Geschlechtsakts darzustellen, den Rahmen einer sachlich-wissen­schaft­lichen Darstellung der ablaufenden anatomischen Vorgänge überschreite.

Art und Weise der Darstellung verstößt gegen Menschenwürde

Das Gericht habe sich beim Ortstermin einen Eindruck darüber verschafft, dass u.a. durch die Ausformung der Ganzkör­per­plas­tinate, der Körperhaltung und des Gesichts­aus­drucks Ausdrucksformen verwendet worden seien, die zu einer Erfassung der anatomischen Vorgänge in keiner Weise beitrügen, sondern an eine freie, künstlerische Ausdrucksweise anknüpften. Insbesondere entstehe bei dem weiblichen Plastinat für den unbefangenen Betrachter dadurch, dass Teile der Rücken­mus­kulatur deutlich erkennbar nach hinten gespreizt seien, sowie durch ihre Form, die durch gezackte, spitz zulaufende Enden geprägt sei, der Eindruck, als habe das weibliche Plastinat Flügel. Darin sei jedoch kein didaktisches Anliegen, das für ein besseres Verständnis des Geschlechts­verkehrs und dessen wissen­schaft­licher Aufklärung erfordere, erkennbar. Die Leichen der Verstorbenen seien unter Ausblendung deren Persönlichkeit zur Materie degradiert und dienten der Ausformung und Darstellung der künstlerischen Anliegen des Plastinators. Dies aber verstoße gegen die Menschenwürde. Die Körper verstorbener Menschen könnten nicht beliebig verfremdet oder verformt werden, da es sich bei ihnen unter Berück­sich­tigung ihrer Menschenwürde trotz eines wissen­schaft­lichen Anliegens nicht um beliebige Materie handele und ihr Achtungs­an­spruch nicht durch freie Formbarkeit verletzt werden dürfe.

Einwilligung der Betroffenen nicht maßgeblich

Durch das gesamte Verhalten der Antragstellerin habe sich der Eindruck verdichtet, dass es ihr im Schwerpunkt darum gehe, mit der Zurschau­stellung von Leichen beim Geschlechts­verkehr einen besonderen Anreiz im Sinne es Tabubruchs bieten zu wollen, und dass die Plastinate vorrangig aus anderen als wissen­schaft­lichen Gründen ausgestellt werden sollten, um den Besuchern einen besonderen Showeffekt zu bieten, der Grenzen überschreite und in der Endphase der Ausstellung zusätzlichen Anreiz zu deren Besuch bieten solle. Der Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde lasse sich auch nicht rechtfertigen, da diese nach Art. 1 Abs. 1 des GG unantastbar sei und sich demnach eine Abwägung mit anderen Grundrechten verbiete. Aufgrund des absoluten Schutzes der Menschenwürde sei auch eine etwaige Einwilligung der Betroffenen nicht maßgeblich.

Unantastbare Würde des Menschen hat höheren Stellenwert als finanzielle Folgen für Aussteller

Nicht mehr rückgängig zu machende Folgen für die wissen­schaft­lichen Anliegen und finanziellen Interessen der Antragstellerin seien nicht zu befürchten. Dieser sei es nach wie vor möglich, die restlichen ca. 200 Plastinate auszustellen. Finanzielle Folgen für die Antragstellerin erschienen angesichts dessen, dass die unantastbare Würde des Menschen das höchste Gut des Grundgesetzes darstelle, hinnehmbar. Gegen den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Augsburg kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof in München eingelegt werden.

Quelle: ra-online, VG Augsburg

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