Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss14.08.2009
Keine Live-Präparationen an Leichen in Körperwelten-AusstellungPostmortaler Schutz der Menschenwürde
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt, wonach im Rahmen der gegenwärtig im ehemaligen Postbahnhof stattfindenden Ausstellung "Körperwelten - Der Zyklus des Lebens" keine sog. Live-Präparationen an menschlichen Leichen mehr vorgenommen werden dürfen.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte diese in einem gesonderten Ausstellungsraum ("Anatomisches Theater der Moderne") stattfindenden, für interessierte Ausstellungsbesucher zugänglichen Veranstaltungen unterbunden. Diese verstießen gegen Bestimmungen des Berliner Bestattungsgesetzes und des Sektionsgesetzes, nach denen die öffentliche Ausstellung von Leichen verboten und anatomische Sektionen, zu denen die streitigen Präparationsvorgänge gehörten, nur in entsprechend eingerichteten anatomischen Instituten stattfinden dürften.
Veranstalter beruft sich auf Freiheit von Forschung und Lehre
Demgegenüber hatte sich die Veranstalterin der Ausstellung auf die Freiheit von Forschung und Lehre berufen, die auch die Vermittlung von Erkenntnissen im populärwissenschaftlichen Bereich abdecke und von außeruniversitär Lehrenden in Anspruch genommen werden könne.
Postmortaler Schutz der Menschenwürde
Das Oberverwaltungsgericht hat hingegen klargestellt, dass jedenfalls im Rahmen der einschlägigen Vorschriften des Bestattungsgesetzes der postmortale Schutz der Menschenwürde und bestimmte sittlichen Wertvorstellungen der Gesellschaft für den Umgang mit toten Menschen überwiegen und zur Unzulässigkeit der Live-Präparationen führen. Zur Vermittlung und Veranschaulichung der Erkenntnisse, um die es dem Ausstellungsveranstalter gehe, bedürfe es der Vorführung an menschlichen Leichen und deren Ausstellung nicht, weil didaktisch vergleichbare Mittel den beabsichtigten Erkenntnisgewinn der Ausstellungsbesucher genauso wenn nicht sogar besser ermöglichten.
Freiheit der Lehre sind Schranken gesetzt
Die Freiheit der Lehre finde insoweit ihre Schranke in der Menschenwürde als oberstem Verfassungswert. Der von den Ausstellungsmachern beabsichtigte Tabubruch sei deshalb ein Rechtsverstoß, der als Störung der öffentlichen Sicherheit sofort habe unterbunden werden dürfen. Die Richter hatten sich zuvor in einem Termin vor Ort einen Eindruck von den Räumlichkeiten verschafft und sich das Anliegen der Ausstellungsmacher erläutern lassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.08.2009
Quelle: ra-online, OVG Berlin-Brandenburg