Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Auf einem gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatz stürzte ein Kraftfahrer aufgrund von Glätte. Der Parkplatz war nicht bestreut worden. Es handelte sich um einen sehr kleinen Parkplatz mit zwei Parkreihen. Der Fahrzeugführer klagte auf Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Das Landgericht Erfurt gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten.
Das Oberlandesgericht Thüringen entschied zu Gunsten der Beklagten. Das Nichtstreuen des Parkplatzes habe keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dargestellt. Denn auf öffentlichen Parkplätzen bestehe eine Streupflicht nur dann, wenn es sich um einen belebten Parkplatz handele und wenn die Kraftfahrer den Parkplatz nicht nur mit wenigen Schritten betreten bzw. verlassen können (BGH, Urteil v. 22.11.1965 - III ZR 32/65 - = VersR 1966, 90). In einem solchen Fall müsse zwischen den parkenden Autos ein Fußpfad geräumt und gestreut werden. Wenn aber, wie hier, die Parkplatznutzer nach Verlassen des Fahrzeugs mit wenigen Schritten einen abgestreuten Bürgersteig oder andere sichere Straßenteile erreichen können, bestehe keine Verpflichtung zu räumen und zu streuen.
Durch das Aufstellen von Parkuhren oder Parkscheinautomaten ergebe sich keine höhere Verkehrssicherungspflicht, so das Oberlandesgericht weiter. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Parkplatznutzer unterschiedliche Erwartungshaltungen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht habe, je nachdem, ob er der Parkplatz kostenlos ist oder nicht. Denn ein Kraftfahrer nutze einen gebührenpflichtigen Stellplatz nicht deshalb, weil er dort eine bessere Ausstattung erwarte, sondern weil er mangels kostenlosen Parkraums gezwungen ist, für das Parken zu bezahlen.
Das Ergebnis werde nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten bestätigt. Denn würden für gebührenpflichtige öffentliche Parkplätze höhere Verkehrssicherungspflichten bestehen, so müssten die kommunalen Räum- und Streumaßnahmen extrem ausgeweitet werden. Dies führe wiederum angesichts der knappen finanziellen und logistischen Mittel zu einer Überforderung der Kommunen und somit zu einer Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze.
Auf die Belebtheit des Parkplatzes kam es daher nicht mehr an. Das Oberlandesgericht führte nur ergänzend aus, dass sich aus dem geringen Flächenausmaß eines Parkplatzes nicht schließen lasse, ob es sich bei dem Gelände um eine belebte Fläche handele oder nicht. So sei ein Parkplatz nicht nur dann belebt, wenn es sich um eine großflächige Anlage handele, sondern auch dann, wenn auf dem Gelände ein schneller Fahrzeugwechsel stattfinde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.11.2012
Quelle: Thüringer Oberlandesgericht, ra-online (vt/rb)