Thüringer Oberlandesgericht Jena Urteil28.11.2000
Winterdienst: Gebührenpflichtige Parkplätze begründen keine höhere VerkehrssicherungspflichtBelebte Parkplätze müssen zum Schutz der Kraftfahrer bestreut werden
Können die Kraftfahrer einen nicht bestreuten Parkplatz mit wenigen Schritten sicher verlassen, so liegt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, wenn es zu einem Sturz kommt. Ein gebührenpflichtiger Parkplatz führt nicht zu einer gesteigerten Verkehrssicherungspflicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Thüringen hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Auf einem gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatz stürzte ein Kraftfahrer aufgrund von Glätte. Der Parkplatz war nicht bestreut worden. Es handelte sich um einen sehr kleinen Parkplatz mit zwei Parkreihen. Der Fahrzeugführer klagte auf Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Das Landgericht Erfurt gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten.
Verkehrssicherungspflicht wurde nicht verletzt
Das Oberlandesgericht Thüringen entschied zu Gunsten der Beklagten. Das Nichtstreuen des Parkplatzes habe keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dargestellt. Denn auf öffentlichen Parkplätzen bestehe eine Streupflicht nur dann, wenn es sich um einen belebten Parkplatz handele und wenn die Kraftfahrer den Parkplatz nicht nur mit wenigen Schritten betreten bzw. verlassen können (BGH, Urteil v. 22.11.1965 - III ZR 32/65 - = VersR 1966, 90). In einem solchen Fall müsse zwischen den parkenden Autos ein Fußpfad geräumt und gestreut werden. Wenn aber, wie hier, die Parkplatznutzer nach Verlassen des Fahrzeugs mit wenigen Schritten einen abgestreuten Bürgersteig oder andere sichere Straßenteile erreichen können, bestehe keine Verpflichtung zu räumen und zu streuen.
auch interessant
Keine höhere Versicherungspflicht aufgrund Gebührenpflicht
Durch das Aufstellen von Parkuhren oder Parkscheinautomaten ergebe sich keine höhere Verkehrssicherungspflicht, so das Oberlandesgericht weiter. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Parkplatznutzer unterschiedliche Erwartungshaltungen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht habe, je nachdem, ob er der Parkplatz kostenlos ist oder nicht. Denn ein Kraftfahrer nutze einen gebührenpflichtigen Stellplatz nicht deshalb, weil er dort eine bessere Ausstattung erwarte, sondern weil er mangels kostenlosen Parkraums gezwungen ist, für das Parken zu bezahlen.
Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bestätigt Ergebnis
Das Ergebnis werde nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten bestätigt. Denn würden für gebührenpflichtige öffentliche Parkplätze höhere Verkehrssicherungspflichten bestehen, so müssten die kommunalen Räum- und Streumaßnahmen extrem ausgeweitet werden. Dies führe wiederum angesichts der knappen finanziellen und logistischen Mittel zu einer Überforderung der Kommunen und somit zu einer Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze.
Größe des Stellplatzes unerheblich für Frage der Belebtheit
Auf die Belebtheit des Parkplatzes kam es daher nicht mehr an. Das Oberlandesgericht führte nur ergänzend aus, dass sich aus dem geringen Flächenausmaß eines Parkplatzes nicht schließen lasse, ob es sich bei dem Gelände um eine belebte Fläche handele oder nicht. So sei ein Parkplatz nicht nur dann belebt, wenn es sich um eine großflächige Anlage handele, sondern auch dann, wenn auf dem Gelände ein schneller Fahrzeugwechsel stattfinde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.11.2012
Quelle: Thüringer Oberlandesgericht, ra-online (vt/rb)