21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 10786

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Urteil22.11.1965BundesgerichtshofIII ZR 32/65
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 1966, 227Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 1966, Seite: 227
  • MDR 1966, 125Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1966, Seite: 125
  • NJW 1966, 202Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1966, Seite: 202
  • VersR 1966, 90Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1966, Seite: 90
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.11.1965

BGH: Für belebte öffentliche Parkplätze besteht im Winter Räum- und StreupflichtVon Kraftfahrzeugen befahrene Teile eines Parkplatzes müssen zum Schutz der aussteigenden Fahrzeug­in­sassen bestreut werden

Bei Winterglätte müssen für Fußgänger Wege und belebte, über Fahrbahnen führende unentbehrliche Fußgän­ge­r­überwege innerhalb geschlossener Ortschaften bestreut werden. Belebte öffentliche Parkplätze müssen zum Schutze der ausgestiegenen Fahrzeug­in­sassen dann bestreut werden, wenn die Wagenbenutzer den Parkplatz nicht nur mit wenigen Schritten betreten können, um ihr Fahrzeug zu erreichen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Streitfall parkten die Klägerin und ihr Ehemann an einem Wintertag ihren Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz. Ein Fußgängerweg ist vom Parkplatz durch einen mit einer Steinkante versehenen und bepflanzten Schutzstreifen abgegrenzt. In der Nacht vorher und am Morgen hatte es geschneit; der Parkplatz war mit Schnee bedeckt; die Temperatur lag etwas unter dem Gefrierpunkt. Kurz vor dem Erreichen der Ausfahrt stürzte die Klägerin. Sie erlitt einen komplizierten Oberschen­kel­halsbruch, der einen mehrmonatigen Kranken­haus­auf­enthalt notwendig machte und an dessen Folgen sie noch heute leidet.

Geschädigte verlangt Schadensersatz von der Gemeinde

Die Klägerin verklagte die Stadt auf Zahlung von Schmerzensgeld, da nach ihrer Auffassung der Parkplatz mit festgefahrenem Schnee bedeckt, sehr glatt, aber nicht bestreut gewesen sei. Sie sei trotz vorsichtigen Gehens nur durch diese Glätte zu Fall gekommen. Die Beklagte sei mindestens zur Bestreuung eines Überwegs zum Ausgang hin verpflichtet gewesen.

Beklagte Gemeinde sieht Mitverschulden bei der Geschädigten

Die beklagte Gemeinde, nach dessen Streuplan auch der Parkplatz durch den beauftragten ständigen Winterdienst zu bestreuen war, wehrte sich gegen die Beschuldigungen, da sie der Auffassung war, dass insbesondere daher keine Streupflicht bestanden habe, weil es den ganzen Vormittag bis zum Augenblick des Unfalls ständig stark geschneit habe, so dass das Streuen sinnlos gewesen wäre. Zudem sei der Platz ordnungsmäßig bestreut gewesen. Die Klägerin hätte auf eine mögliche Glätte Rücksicht nehmen müssen, so dass sie ein Mitverschulden treffe.

Gemeinde ist verpflichtet Parkplatz an den Stellen mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen, an denen Fußgän­ger­verkehr sicheres Betreten erwartet

Die Klage der Geschädigten war in allen Instanzen erfolgreich. Der Bundes­ge­richtshof urteilte, dass eine erwiesene Streu­pflicht­ver­letzung ursächlich für den Unfall der Klägerin gewesen sei. Es stünde fest, dass die Unfallstelle nicht bestreut und schneeglatt gewesen sei. Zumindest spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür. Denn in der Nacht und am frühen Morgen habe es geschneit, der Parkplatz sei mit Schnee bedeckt gewesen, die Temperatur habe etwas unter dem Gefrierpunkt gelegen und die Klägerin sei auf dem schneebedeckten Boden ausgerutscht und gestürzt. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Parkplatz mindestens an der Stelle mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen, wo der Fußgän­ger­verkehr ein sicheres Betreten des Platzes verlangen und erwarten könne. Durch die Konzentration des Fußgän­ger­verkehrs und des Kraft­fahr­zeug­verkehrs im näheren Bereich der Ein- und Ausfahrt ergebe sich, dass der Boden bei Schneeglätte hier schneller glatt werde und glatter sei als die übrige Parkplatzfläche; daraus folge ein besonderes Bedürfnis zum Streuen.

Verkehrs­si­che­rungs­pflichtiger hat durch Bestreuung mit abstumpfenden Mitteln alle Gefahren zu beseitigen

Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass eine Streupflicht nicht bei jedem Schneefall bestünde, sondern erst bei einer gewissen Glätte, also insbesondere bei glatten festgetretenem oder festgefahrenem Schnee. Dabei sei der Umfang der Streupflicht für die Fahrbahn und für Fußgängerwege verschieden. Somit habe der Verkehrs­si­che­rungs­pflichtige durch Bestreuung mit abstumpfenden Mitteln alle Gefahren zu beseitigen, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrs­teil­nehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestünden.

BGH zu den Voraussetzungen für Verkehrs­si­che­rungs­pflicht

Doch auch für die Streupflicht seien bestimmte Grenzen gesetzt, so der Bundes­ge­richtshof. Die Streupflicht beginne bei vorhandener Glätte im allgemeinen am Morgen mit dem Einsetzen des Verkehrs und ende am Abend. Sofern eine Glätte erst im Laufe des Tages einsetze, müsse dem Verkehrs­si­che­rungs­pflichtigen ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Glätte einzuleiten. Andererseits brauche der Pflichtige - zum Beispiel bei dichtem, anhaltenden Schneefall - keine zwecklosen Maßnahmen zu ergreifen. In solchen Fällen müsse dem Streu­pflichtigen eine angemessene Frist gewährt werden, bis er nach Beendigung des dichten Schneefalls mit dem Streuen beginnen müsse. Allerdings befreie anhaltender oder drohender Schneefall nicht vollständig von der Streupflicht. Es komme viel mehr auf die Stärke des Schneefalls sowie auf die Beschaffenheit des Schnees und des Bodens an. Bin leichtem Schneefall, der nur eine dünne Schneedecke schaffe, die durch den Verkehr schnell zertreten werde, so dass grobe Streumittel noch ausreichende Wirkung zeigen würden, müsse trotz des Schneefalls gestreut werden.

Streupflicht für alle Straßen oder Plätze unmöglich

Selbst­ver­ständlich bestehe keine allgemeine Streupflicht für alle Straßen oder Plätze, da es unmöglich sei, durch Bestreuen alle Straßen im Winter völlig gefahrlos zu gestalten und zu erhalten. Entstehung, Umfang und Maß einer Streupflicht richteten sich danach, was zur gefahrlosen Sicherung des Verkehrs erforderlich und dem Streu­pflichtigen zumutbar sei. Art und Wichtigkeit der Verkehr­s­ein­richtung sowie die Stärke des Verkehrs bestimmen also entscheidend den Umfang einer Streupflicht.

Für Gemeinde besteht Pflicht nicht nur für sicheren Fahrverkehr, sondern auch für Schutz der Fußgänger zu sorgen

Ein öffentlicher Parkplatz wie im vorliegenden Fall sei zwar in erster Linie für Kraftfahrzeuge bestimmt, müsse aber stets notwen­di­gerweise von den Fahrzeug­in­sassen als Fußgänger benutzt werden, um die Wagen zu verlassen oder zu erreichen. Aus dieser erweiterten Zweckbestimmung der Verkehr­s­ein­richtung als Zu- und Abgangsweg für Fußgänger erfolge die Pflicht, hier nicht nur für den sicheren Fahrverkehr, sondern auch für den Schutz der Fußgänger zu sorgen. Auf öffentlichen Parkplätzen müssten nach Auffassung des Gerichts somit die von den Kraftfahrzeugen befahrenen Teile zum Schutze der ausgestiegenen Fahrzeug­in­sassen bestreut werden, wenn die Wagenbenutzer diese Teile nicht nur mit wenigen Schritten betreten müssten und es sich um einen belebten Parkplatz handele.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/ac)

der Leitsatz

Pr WegereinigungsG; BGB §§ 839 C, 823 Dc, Ea, I

a) Bei winterlicher Glätte müssen auf öffentlichen Parkplätzen die von den Kraftfahrzeugen befahrenen Teile im Interesse der Wagenbenutzer bestreut werden, wenn die Fahrzeug­be­nutzer diese Teile nicht nur wenige Schritte als Fußgänge betreten müssen und es sich um einen belebten Parkplatz handelt.

b) Zur Frage der Beweislast bei Ansprüchen wegen Verletzung einer Streupflicht.

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