23.11.2024
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Sozialgericht Braunschweig Urteil08.08.2013

Jobcenter muss Kosten für dauerhaften Nachhil­fe­un­terricht übernehmenAnspruch auf ein menschen­würdiges Existenzminimum kann auch Übernahme eines dauerhaften Nach­hilfe­unterrichts umfassen

Das Sozialgericht Braunschweig hat entschieden, dass das Jobcenter die Kosten für dauerhaften Nachhil­fe­un­terricht übernehmen muss, da nach Auffassung des Gerichts der Anspruch auf ein menschen­würdiges Existenzminimum auch die Übernahme eines dauerhaften Nach­hilfe­unterrichts umfassen kann.

Der 1997 geborene Kläger leidet an einer Lese- und Recht­schreib­schwäche (Legasthenie). Er besucht die zehnte Klasse einer Realschule, seit Mai 2011 nimmt er Nachhil­fe­un­terricht im Fach Englisch. Der Kläger bezieht vom Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­ter­haltes nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II). Die Leistungen des Klägers sind insgesamt durch­schnittlich. Das Jobcenter übernahm zunächst die Kosten für den Nachhil­fe­un­terricht. Im September 2012 beantragte der Kläger beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für den Nachhil­fe­un­terricht für das darauf folgende Schuljahr. Das Jobcenter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, das beim Kläger gegebene Lerndefizit sei nicht nur vorübergehend. Einen Anspruch auf dauerhafte Unterstützung durch Nachhil­fe­un­terricht sehe das Gesetz nicht vor. Zudem sei die Versetzung des Klägers nicht gefährdet. Das dagegen durchgeführte Wider­spruchs­ver­fahren blieb erfolglos, im Dezember 2012 erhob der Kläger beim Sozialgericht Braunschweig Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Jobcenters.

Gericht sieht Voraussetzungen für Anspruch auf Gewährung der Lernförderung als erfüllt an

Das Sozialgericht Braunschweig gab dem Kläger Recht und verurteilte das Jobcenter zur Übernahme der Kosten für den Nachhil­fe­un­terricht. Das Gericht sieht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Lernförderung als erfüllt an. Gesetzliche Grundlage für den Anspruch ist § 28 Absatz 5 SGB II. Diese Vorschrift, so das Gericht in ihren Entschei­dungs­gründen, sei Ausfluss des Anspruchs auf Chancen­gleichheit. Das Gericht verweist dabei auf die grundsätzliche Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 9. Februar 2010. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte darin u. a. entschieden, dass der Bundes­ge­setzgeber, der mit dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch ein Leistungssystem schaffen wollte, welches das Existenzminimum vollständig gewährleistet, auch dafür Sorge zu tragen hat, dass mit der Grundsicherung auch ein eventuell vorliegender zusätzlicher Bedarf eines Schulkindes auf Lernförderungen hinreichend abgedeckt ist.

Nachhil­fe­un­terricht ist sinnvolle Ergänzung zum Schulangebot

Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass beim Kläger ein ergänzender Bedarf vorliegt. Beim Kläger liege eine geistige Teilleis­tungs­störung vor, die es ihm erschwere, das Lernziel zu erreichen. Dabei sei wesentliches Lernziel nicht allein die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungs­niveaus. Durch den Nachhil­fe­un­terricht werde das Angebot der Schule sinnvoll ergänzt. Der zusätzliche Unterricht diene dem Ziel, dass der Kläger die Bildung erlangt, die er für seinen künftigen Berufsweg benötigt.

§ 28 Absatz 5 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II):

Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schul­recht­lichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.

Quelle: Sozialgericht Braunschweig/ra-online

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