Dokument-Nr. 17041
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Sozialgericht Braunschweig Urteil08.08.2013
Jobcenter muss Kosten für dauerhaften Nachhilfeunterricht übernehmenAnspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum kann auch Übernahme eines dauerhaften Nachhilfeunterrichts umfassen
Das Sozialgericht Braunschweig hat entschieden, dass das Jobcenter die Kosten für dauerhaften Nachhilfeunterricht übernehmen muss, da nach Auffassung des Gerichts der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auch die Übernahme eines dauerhaften Nachhilfeunterrichts umfassen kann.
Der 1997 geborene Kläger leidet an einer Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie). Er besucht die zehnte Klasse einer Realschule, seit Mai 2011 nimmt er Nachhilfeunterricht im Fach Englisch. Der Kläger bezieht vom Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Leistungen des Klägers sind insgesamt durchschnittlich. Das Jobcenter übernahm zunächst die Kosten für den Nachhilfeunterricht. Im September 2012 beantragte der Kläger beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für den Nachhilfeunterricht für das darauf folgende Schuljahr. Das Jobcenter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, das beim Kläger gegebene Lerndefizit sei nicht nur vorübergehend. Einen Anspruch auf dauerhafte Unterstützung durch Nachhilfeunterricht sehe das Gesetz nicht vor. Zudem sei die Versetzung des Klägers nicht gefährdet. Das dagegen durchgeführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos, im Dezember 2012 erhob der Kläger beim Sozialgericht Braunschweig Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Jobcenters.
Gericht sieht Voraussetzungen für Anspruch auf Gewährung der Lernförderung als erfüllt an
Das Sozialgericht Braunschweig gab dem Kläger Recht und verurteilte das Jobcenter zur Übernahme der Kosten für den Nachhilfeunterricht. Das Gericht sieht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Lernförderung als erfüllt an. Gesetzliche Grundlage für den Anspruch ist § 28 Absatz 5 SGB II. Diese Vorschrift, so das Gericht in ihren Entscheidungsgründen, sei Ausfluss des Anspruchs auf Chancengleichheit. Das Gericht verweist dabei auf die grundsätzliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010. Das Bundesverfassungsgericht hatte darin u. a. entschieden, dass der Bundesgesetzgeber, der mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ein Leistungssystem schaffen wollte, welches das Existenzminimum vollständig gewährleistet, auch dafür Sorge zu tragen hat, dass mit der Grundsicherung auch ein eventuell vorliegender zusätzlicher Bedarf eines Schulkindes auf Lernförderungen hinreichend abgedeckt ist.
Nachhilfeunterricht ist sinnvolle Ergänzung zum Schulangebot
Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass beim Kläger ein ergänzender Bedarf vorliegt. Beim Kläger liege eine geistige Teilleistungsstörung vor, die es ihm erschwere, das Lernziel zu erreichen. Dabei sei wesentliches Lernziel nicht allein die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus. Durch den Nachhilfeunterricht werde das Angebot der Schule sinnvoll ergänzt. Der zusätzliche Unterricht diene dem Ziel, dass der Kläger die Bildung erlangt, die er für seinen künftigen Berufsweg benötigt.
§ 28 Absatz 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II):
Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.10.2013
Quelle: Sozialgericht Braunschweig/ra-online
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