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Sozialgericht Osnabrück Urteil11.06.2019

Kürzung von Asyl­bewerber­leistungen bei verweigerter Mitwirkung zur Passbeschaffung verfas­sungsgemäßGrundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums kann in Teilen von Erfüllung von Mit­wirkungs­pflichten abhängig gemacht werden

Bei einer verweigerten Mitwirkung zur Passbeschaffung ist die Kürzung von Asyl­bewerber­leistungen verfas­sungsgemäß. Dies entschied das Sozialgericht Osnabrück.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist ivorischer Staats­an­ge­höriger. Er reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei Stellung seines Asylantrages gab er an, sein Heimatland Elfenbeinküste wegen Armut verlassen zu haben. Sämtliche Identi­täts­papiere seien in Niger verloren gegangen. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 19. September 2016 als offensichtlich unbegründet ab.

Landkreis kürzt Leistungen wegen fehlender Mitwirkung

Die hiergegen vor dem Verwal­tungs­gericht Osnabrück geführten Verfahren blieben erfolglos. Der Kläger wurde seitens des Beklagten (zuständiger Landkreis) wiederholt unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten aufgefordert, sich Passdokumente zu besorgen. Entsprechende Anstrengungen unternahm der Kläger nicht. Nach Anhörung im Hinblick auf eine Reduzierung der Leistungen nach § 1 a Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz (AsylbLG) wegen fehlender Mitwirkung bewilligte der beklagte Landkreis dem Kläger mit Bescheid vom 19. Juli 2017 für den Monat August 2017 nur noch Leistungen in Höhe von 185 Euro. Im Vergleich zu den sonst gewährten Leistungen bedeutete dies einen Sanktionsbetrag von 169 Euro.

SG erklärt Leistungs­ab­senkung für rechtmäßig

Das Sozialgericht Osnabrück entschied auch im Klageverfahren (wie schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes), dass die Leistungs­ab­senkung rechtmäßig ist. Der Kläger hat seit geraumer Zeit nicht an seiner Passbeschaffung mitgewirkt und damit gegen seine Mitwir­kungs­pflichten nach § 48 Aufent­halts­gesetz verstoßen. Er ist mehrfach und auch hinreichend konkret zur Mitwirkung aufgefordert worden.

Recht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums kann von Erfüllung von Mitwir­kungs­pflichten abhängig gemacht werden

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass die Rechtsfolge des § 1 a Abs. 2 AsylbLG verfas­sungs­rechtlich noch vertretbar ist. Denn das vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht (BVerfG) entwickelte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums gelte nicht absolut. Der Gesetzgeber könne es in Teilen von der Erfüllung von Mitwir­kungs­pflichten abhängig machen. Bisherige Entscheidungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu dieser Thematik betreffen vor allem Fragen der allgemeinen Leistungshöhe des Regelsatzes und des Gleich­heits­gebots; rechts­miss­bräuch­liches Handeln - wie im entschiedenen Falle - werde dagegen nicht thematisiert. Eine "Eins-zu-eins"-Übertragung der Entscheidungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auf den vorliegenden Fall sei daher nicht möglich.

Nach dem Urteil des Gerichts könne der Gesetzgeber für vollziehbar ausrei­se­pflichtige Leistungs­be­rechtigte, die nur deshalb noch nicht abgeschoben sind, weil sie nicht an der Pass-(Ersatzpapier)Beschaffung mitwirken, durchaus bestimmen, dass ein Bedarf für die Beziehungen zur Umwelt nicht mehr anerkannt werde. Schließlich werde eine Integration in die hiesige Gesellschaft in diesen Fällen vor dem Hintergrund der auslän­der­recht­lichen Vorgaben nicht mehr angestrebt.

Härte­fa­ll­re­gelung für Unterschreitung des physischen Existenz­mi­nimums

Als problematisch sah es das Gericht jedoch an, dass auch das physische Existenzminimum unterschritten werde, indem dem Leistungs­be­rech­tigten die Bedarfe der Abteilung 3 (Bekleidung) grundsätzlich nicht gewährt werden. Die verfas­sungs­recht­lichen Bedenken greifen hier aber deshalb letztlich nicht durch, da der Gesetzgeber insoweit in § 1 a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG eine Härte­fa­ll­re­gelung geschaffen habe, also derartige Bedarfe im Einzelfall gleichwohl abgedeckt werden könnten.

Hinweis zur Rechtslage

Asylbewerberleistungsgesetz

Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)'>

Erläuterungen

(1) Leistungs­be­rechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 und 5 und Leistungs­be­rechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 6, soweit es sich um Familien­an­ge­hörige der in § 1 Absatz 1 Nummer 4 und 5 genannten Personen handelt, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, erhalten Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

(2) Leistungs­be­rechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 5, für die ein Ausreisetermin und eine Ausrei­semög­lichkeit feststehen, haben ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Ihnen werden bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesund­heits­pflege gewährt. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 1 gewährt werden. Die Leistungen sollen als Sachleistungen erbracht werden.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend für Leistungs­be­rechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 und 5, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufent­halts­be­endende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Für sie endet der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 mit dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschie­bung­s­an­drohung oder Vollziehbarkeit einer Abschie­bungs­a­n­ordnung folgenden Tag. Für Leistungs­be­rechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 6, soweit es sich um Familien­an­ge­hörige der in Satz 1 genannten Personen handelt, gilt Absatz 1 entsprechend.

Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm/kg)

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