03.12.2024
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Sozialgericht Osnabrück Urteil26.07.2019

Bundesagentur für Arbeit ist nicht zur Kostenübernahme für eine zweite Ausbildung einer erheblich Hörgeschädigten verpflichtetZu finanzieren ist nur eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung

Die Bundesagentur für Arbeit ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die bestmögliche Ausbildung zu finanzieren, sondern nur eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung. Dies entschied das Sozialgericht Osnabrück und lehnte es damit in einem einstweiligen Recht­schutz­verfahren ab, die Bundesagentur vorläufig nicht zur Kostenübernahme für eine (zweite) Ausbildung einer erheblich hörgeschädigten Antragstellerin zur Erzieherin zu verpflichten.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Jahr 2000 geborene Antragstellerin trägt auf der einen Seite ein Hörgerät und ist auf dem anderen Ohr mit einem Cochleaim­plantat versorgt. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen H (für hilflos), GL (für gehörlos) und RF (für eine Befreiung von Rundfunk­ge­bühren) festgestellt. Die Antragstellerin besuchte bis Sommer 2017 eine Schule für Hörgeschädigte.

Berufs­aus­bildung kommt auf eher einfachem Niveau infrage

In einem im Jahr 2016 erstatteten psychologischen Gutachten wird über die Antragstellerin ausgeführt, dass sie in einer sehr ruhigen Umgebung in der Lage sei, das gesprochene Wort zu verstehen. Sie greife auf Lippenlesen zurück und nutze unterstützende Gesten. Eine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten ergab ein allgemeines intellektuelles Leistungs­vermögen leicht unter dem Durchschnitt der Hauptschulnorm. Die Antragstellerin wurde als sehr freundlich, zugewandt und aufmerksam beschrieben. Eine Berufs­aus­bildung komme auf einem eher einfachen Niveau infrage. Die Testergebnisse seien im Grenzbereich zur Lernbehinderung anzusehen, sodass eine kontinuierliche Unterstützung bei der Ausbildung erforderlich sei.

Lehrerin sieht Voraussetzungen zur Erlernung des Berufs der Erzieherin erfüllt

Im Anschluss an die Schule schloss die Antragstellerin eine zweijährige, von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Ausbildung zur staatlich anerkannten sozia­l­päd­ago­gischen Assistentin mit der Durch­schnittsnote 2,6 ab. In einer Stellungnahme führte die Klassenleiterin der Antragstellerin aus, dass diese über alle Voraussetzungen verfüge, den Beruf der Erzieherin in einem hörge­schä­dig­ten­ge­rechten Umfeld im Rehabi­li­ta­ti­o­ns­rahmen zu erlernen. Die Motivation und Qualität der Arbeit der Antragstellerin wurden positiv hervorgehoben.

Bundesagentur für Arbeit verweigert weitere Kostenübernahme

Die im April 2019 bei der Bundesagentur für Arbeit beantragte Übernahme der Kosten für eine Ausbildung als Erzieherin lehnte die Bundesagentur unter Hinweis auf § 7 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch (SGB III) ab. Mit dem Berufsabschluss der sozia­l­päd­ago­gischen Assistentin sei das Förderziel erreicht. Es bestünden sehr gute Vermitt­lung­s­chancen für eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es bestehe keine Notwendigkeit einer weiteren Förderung. Darüber hinaus bestehe die Gefahr einer Überforderung der Antragstellerin.

Nachdem der Widerspruch der Antragstellerin erfolglos blieb, wandte sich diese mit Klage und einstweiligem Rechts­schut­zer­suchen an das Sozialgericht Osnabrück.

SG: Antragstellerin hat allein Anspruch auf eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung

Das Sozialgericht Osnabrück entschied, dass die Ablehnung der weiteren Förderung der Antragstellerin rechtmäßig ist. Dabei blieb ausdrücklich offen, ob die Ausübung des Berufs der Erzieherin mit den bei der Antragstellerin unstreitig gegebenen Einschränkungen überhaupt möglich sei. Es bestünden insoweit gewisse Zweifel, welche aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht aufgeklärt werden könnten. Jedenfalls sah das Gericht aber eine sogenannte arbeits­ma­rktliche Notwendigkeit als nicht glaubhaft gemacht an. Die Antragstellerin habe allein einen Anspruch darauf, dass ihr durch die Bundesagentur für Arbeit die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung, nicht jedoch die bestmögliche gewährt wird. Die Antragstellerin ist mit dem von ihr bislang erlernten Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar.

Das Gericht hat in seine Betrachtungen auch die UN-Behin­der­ten­rechts­kon­vention einbezogen. Das Recht auf einen diskri­mi­nie­rungs­freien Zugang zu einer anderweitigen als der aktuell ausgeübten Tätigkeit ist jedoch gewahrt, da auch ohne die Behinderung der Antragstellerin eine Zweitausbildung von der arbeits­ma­rkt­lichen Notwendigkeit abhängen würde. Eine solche besteht aber vorliegend gerade nicht.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 7 SGB III

Erläuterungen

Bei der Auswahl von Ermes­sens­leis­tungen der aktiven Arbeits­för­derung hat die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaft­lichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei ist grundsätzlich auf

1. die Fähigkeiten der zu fördernden Personen,

2. die Aufnah­me­fä­higkeit des Arbeitsmarktes und

3. den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermitt­lungs­ge­spräche ermittelten arbeits­ma­rkt­po­li­tischen Handlungsbedarf

abzustellen.

Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm/kg)

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