18.10.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil19.06.2013

OVG Schleswig hebt Genehmigung für Zwischenlager Brunsbüttel aufAtomrechtliche Genehmigung weist mehrere Ermittlungs- und Bewer­tungs­de­fizite der Geneh­mi­gungs­behörde auf

Das Schleswig-Holsteinische Ober­verwaltungs­gericht hat die atomrechtliche Genehmigung für das Standort­zwischen­lager des Kernkraftwerks Brunsbüttel wegen mehrerer Ermittlungs- und Bewer­tungs­de­fizite der Geneh­mi­gungs­behörde aufgehoben.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Februar 2004 gegen die Genehmigung erhobene Klage eines Anwohners hatte der 4. Senat des OVG mit Urteil vom 31. Januar 2007 (Az. 4 KS 2/04) zunächst abgewiesen; dieses Urteil war aber vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit Urteil vom 10. April 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen worden. Der Kläger hat gegen die Genehmigung des Zwischenlagers im Wesentlichen eingewandt, dass die Risiken terroristischer Angriffe u.a. durch gezielten Absturz eines Verkehrs­flug­zeuges sowie den Einsatz panze­r­bre­chender Waffen gegen das Lager nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Insbesondere habe das beklagte Bundesamt nicht untersucht, welche Folgen Terrorangriffe auf das Lager in Form eines gelenkten Absturzes eines Airbus A380 und des Einsatzes moderner panze­r­bre­chender Waffen der so genannten dritten Generation für den Kläger hätten. Dem Gericht war ein wesentlicher Teil der Unterlagen der Geneh­mi­gungs­behörde unter Berufung auf Geheimhaltung nicht vorgelegt worden. Die Geheimhaltung war vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht im so genannten in-camera-Verfahren größtenteils bestätigt worden.

Folgen eines Airbus A380-Absturzes auf Zwischenlager wurden vom Bundesamt für Strahlenschutz nicht ermittelt

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht führte in der Verhandlung aus, dass es das Bundesamt für Strahlenschutz versäumt habe, die Folgen eines Absturzes eines Airbus A380 auf das Zwischenlager vor der Geneh­mi­gungs­er­teilung zu ermitteln, obwohl die hierfür erforderlichen Daten vorlagen. Das Gericht habe offengelassen, ob dieses Ermitt­lungs­defizit durch eine nachträgliche Untersuchung der Behörde aus dem Jahr 2010 gegenstandslos geworden sei; insoweit bestünden aber jedenfalls Zweifel gegenüber der verwendeten Unter­su­chungs­me­thodik.

Bei Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panze­r­bre­chenden Waffen wurde nur älterer Waffentyp berücksichtigt

Ein weiteres Ermitt­lungs­defizit der Beklagten liege darin, dass im Geneh­mi­gungs­ver­fahren bei der Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panze­r­bre­chenden Waffen auf Castorbehälter offensichtlich nur ein älterer Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden sei, obwohl neuere Waffen eine größere Zerstö­rungs­wirkung auf das Inventar der Castorbehälter haben könnten und schneller nachladbar sind, was für die Trefferanzahl von Bedeutung sein könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar geworden, dass wegen sogenannter "ausreichender temporärer Maßnahmen" bis zu einer künftigen Nachrüstung des Zwischenlagers nunmehr das Risiko des Eindringens entschlossener Täter in das Lager ausgeschlossen sein solle.

Mögliche Überschreitung des Eingreif­richtwerts bei Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung wurde nicht ermittelt

Zusätzlich habe die Geneh­mi­gungs­behörde es versäumt zu ermitteln, ob infolge der erörterten Angriffss­ze­narien der Eingreif­richtwert für die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung über-schritten würde, obwohl auch eine Umsiedlung als schwerwiegender Grund­recht­s­eingriff hier zu berücksichtigen sei. Ein weiterer Bewer­tungs­fehler der Behörde liege in der Anwendung des so genannten 80-Perzentils bei der Untersuchung des Kerosin­ein­trages in das Lager bei einem Flugzeugabsturz.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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