Dokument-Nr. 5884
Permalink https://urteile.news/
- Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil01.01.2007, 4 KS 2/04
Bundesverwaltungsgericht Urteil10.04.2008
Bundesverwaltungsgericht: Anwohner können sich gegen Atomzwischenlager wehrenGenehmigung von Brunsbüttel muss durch Vorinstanz erneut geprüft werden
Der Nachbar eines Standortzwischenlagers kann vor Gericht die dafür erteilte atomrechtliche Genehmigung mit der Begründung abwehren, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht gewährleistet ist. Ob und in welchem Umfang ein solcher Schutz geboten ist, hat die Genehmigungsbehörde in eigener Verantwortung zu beurteilen. Ihre Entscheidung ist von den Gerichten dahin zu überprüfen, ob die behördliche Risikoermittlung und Risikobewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für das Standortzwischenlager Brunsbüttel entschieden.
Das zur Überprüfung der Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel zuständige Oberverwaltungsgericht hatte den vom Kläger geforderten Drittschutz mit der Begründung verneint, die Vorschrift über den Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter diene ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit.
Vorinstanz: Schutzvorschriften schützen nur Allgemeinheit - kein Schutz individueller Rechtsgüter
Soweit das Gesetz den Betreiber zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Risiken infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager oder eines Beschusses der Castorbehälter mit panzerbrechenden Waffen verpflichte, diene das nicht dem Schutz individueller Rechtsgüter. Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entgegengetreten:
Bundesverwaltungsgericht: Auch individuelle Rechtsgüter sollen durch Atomgesetz geschützt werden
Der Schutz gegen terroristische Anschläge auf ein Standortzwischenlager unterfällt dem Anwendungsbereich des Atomgesetzes. Die Vorsorge gegen solche Risiken dient auch dem Schutz individueller Rechtsgüter der in der Nähe des Zwischenlagers wohnenden Nachbarn. Die staatliche Terrorbekämpfung entbindet den Anlagenbetreiber nicht von der Pflicht zu Maßnahmen zum Schutz der Anlage und ihres Betriebs, die in seinen Verantwortungsbereich fallen. Ein Schutzanspruch Drittbetroffener auf Vorsorge gegen terroristische Anschläge besteht allerdings nicht, wenn die Genehmigungsbehörde diese Risiken willkürfrei dem Bereich des Restrisikos zuordnen durfte. Das Oberverwaltungsgericht hatte keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Behörde davon ausgehen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken für Leben und Gesundheit des Klägers infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager und durch einen Beschuss der Castorbehälter mit panzerbrechenden Waffen nach dem integrierten Sicherungs- und Schutzkonzept gewährleistet ist, oder ob sie die Risiken als "praktisch ausgeschlossen" dem Bereich des hinzunehmenden Restrisikos zuordnen durfte. Deshalb musste das Bundesverwaltungsgericht die Sache zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurückverweisen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.04.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 23/08 des BVerwG vom 10.04.2008
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil5884
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.