23.11.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil23.05.2013

Schaden­s­er­satzklage gegen ehemalige Vorstände der Accessio AG abgewiesenSystematisch fehlerhafte Anlageberatung durch Kundenberater auf Veranlassung der Vorstands­mit­glieder nicht erkennbar

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht hat eine Schaden­er­satzklage von Kunden des zwischen­zeitlich insolventen Wert­papie­rdienst­leistungs­unternehmen Accessio AG gegen die beiden ehemaligen Vorstands­mit­glieder abgewiesen, weil er es nicht als erwiesen ansah, dass die Vorstands­mit­glieder die Kundenberater systematisch zu einer fehlerhaften Anlageberatung veranlasst haben.

Im zugrunde liegenden Streitfall ließ sich das klagende Ehepaar bei der Vermögensanlage ab April 2007 durch die Accessio AG beraten. Im Zeitraum April 2007 bis Juli 2008 zeichneten sie Wertpapiere zu einem Anschaf­fungspreis von knapp 190.000 Euro. Vor der jeweiligen Anschaffung fanden Beratungs­ge­spräche mit einem Berater der Accessio AG statt. Die gezeichneten Wertpapiere haben zwischen­zeitlich massiv an Wert verloren. Im September 2010 wurde das Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Accessio AG eröffnet. Die Kläger verlangten nunmehr von den beiden ehemaligen Vorstands­mit­gliedern der Accessio AG Schadensersatz in Höhe von knapp 150.000 Euro mit der Begründung, dass diese veranlasst hätten, dass die Kunden der Accessio AG systematisch falsch beraten und in riskante Vermö­gens­anlagen vermittelt worden seien.

Voraussetzungen für persönliche Haftung des Vorstands nicht gegeben

Das Schleswig-Holsteinische entschied jedoch, dass die beiden Vorstands­mit­glieder nicht persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kunden (§ 826 BGB) haften. Der Vorstand einer Anlage­ver­mitt­lungs­ge­sell­schaft hafte persönlich dann, wenn er veranlasst, dass auf seine Weisung bei riskanten Geschäften die Kunden bewusst über Risiken und verminderte Gewinnchancen ungenügend aufgeklärt bzw. die Risiken bewusst verharmlost würden. Diese Voraussetzungen sah das Gericht nicht als erwiesen an.

Schriftliche Information der Kunden über Risiken der vertriebenen Kapitalanlagen waren nicht erforderlich

Nach der damaligen Gesetzeslage (Beratungs­zeitraum April 2007 bis Juli 2008) war eine schriftliche Information der Kunden über die Risiken der vertriebenen Kapitalanlagen nicht erforderlich. Es sei auch nicht erwiesen, dass die beklagten Vorstands­mit­glieder ihre Berater aktiv angewiesen hätten, dass die Kunden von den Emissi­ons­pro­spekten der Wertpapiere keine Kenntnis erlangen sollten. Gegen eine solche Weisung spräche insbesondere, dass die Emissi­ons­pro­spekte den Beratern bei der Produktschulung zugänglich gemacht wurden, den Beratern im firmeneigenen Intranet stets zur Verfügung standen und für Kunden auf der Internet Homepage der Accessio AG zum Download bereitstanden.

Aufklärung über fehlenden Schutz durch Einla­gen­si­che­rungsfond bei bereits erfolgter Aufklärung über Total­ver­lust­risiko nicht mehr erforderlich

Die Beweisaufnahme habe zudem ergeben, dass die Berater der Accessio AG gehalten waren, die Kunden vor Zeichnung der Wertpapiere über die entsprechenden produkt­be­zogenen Risiken aufzuklären und vor Zeichnung eine Abfrage der Risiko­be­reit­schaft und Kenntnis des Kunden durchzuführen. Es hänge vom Anlageprofil und Anlageziel des Kunden ab, ob eine Aufklärung beim Erwerb von Wertpapieren dahingehend erforderlich sei, dass diese nicht wie Spareinlagen von der gesetzlichen Einla­gen­si­cherung umfasst sind. Wenn der Anleger bereits umfassend, zum Beispiel über ein Total­ver­lust­risiko aufgeklärt worden sei, sei eine gesonderte Aufklärung über den fehlenden Schutz durch den Einla­gen­si­che­rungsfond nicht mehr erforderlich, weil der Hinweis auf ein Total­ver­lust­risiko denklogisch bereits die Information eines fehlenden anderweitigen Siche­rungs­me­cha­nismus beinhalte, so das Gericht.

Kundengewinnung durch Werbung für andere Produkte stellt kein sittenwidriges Geschäftsmodell dar

Das Gericht sah es auch nicht als ein sittenwidriges Geschäftsmodell an, wenn die über Tagesgelder gewonnenen Kunden nach dem Auslaufen der Tagesgelder für andere Produkte wie Unter­neh­men­s­an­leihen durch Werbung gewonnen werden sollten. Das werbemäßige Angebot von Unter­neh­men­s­an­leihen an – unterstellt – risikoscheue Anleger, stelle sich nicht als unzulässig dar, wenn in dem nachfolgenden Beratungs­ge­spräch eine zutreffende Risiko­auf­klärung erfolge und der Kunde auf deren Grundlage vom früheren Anlageziel abrücke und sich für ein bestimmtes Anlageprodukt entscheide.

Hinweis auf Nutzlosigkeit vermittelter Kapitalanlagen nicht nachvollziehbar

Im Übrigen haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die vermittelten Kapitalanlagen wegen behaupteter "Klumpenrisiken" und einer erheblichen Marktenge alle ungeeignet gewesen sein sollen. Die gesell­schafts­recht­lichen Verflechtungen der Emittenten werden nicht aufgezeigt.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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