Im zugrunde liegenden Streitfall ließ sich das klagende Ehepaar bei der Vermögensanlage ab April 2007 durch die Accessio AG beraten. Im Zeitraum April 2007 bis Juli 2008 zeichneten sie Wertpapiere zu einem Anschaffungspreis von knapp 190.000 Euro. Vor der jeweiligen Anschaffung fanden Beratungsgespräche mit einem Berater der Accessio AG statt. Die gezeichneten Wertpapiere haben zwischenzeitlich massiv an Wert verloren. Im September 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Accessio AG eröffnet. Die Kläger verlangten nunmehr von den beiden ehemaligen Vorstandsmitgliedern der Accessio AG Schadensersatz in Höhe von knapp 150.000 Euro mit der Begründung, dass diese veranlasst hätten, dass die Kunden der Accessio AG systematisch falsch beraten und in riskante Vermögensanlagen vermittelt worden seien.
Das Schleswig-Holsteinische entschied jedoch, dass die beiden Vorstandsmitglieder nicht persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kunden (§ 826 BGB) haften. Der Vorstand einer Anlagevermittlungsgesellschaft hafte persönlich dann, wenn er veranlasst, dass auf seine Weisung bei riskanten Geschäften die Kunden bewusst über Risiken und verminderte Gewinnchancen ungenügend aufgeklärt bzw. die Risiken bewusst verharmlost würden. Diese Voraussetzungen sah das Gericht nicht als erwiesen an.
Nach der damaligen Gesetzeslage (Beratungszeitraum April 2007 bis Juli 2008) war eine schriftliche Information der Kunden über die Risiken der vertriebenen Kapitalanlagen nicht erforderlich. Es sei auch nicht erwiesen, dass die beklagten Vorstandsmitglieder ihre Berater aktiv angewiesen hätten, dass die Kunden von den Emissionsprospekten der Wertpapiere keine Kenntnis erlangen sollten. Gegen eine solche Weisung spräche insbesondere, dass die Emissionsprospekte den Beratern bei der Produktschulung zugänglich gemacht wurden, den Beratern im firmeneigenen Intranet stets zur Verfügung standen und für Kunden auf der Internet Homepage der Accessio AG zum Download bereitstanden.
Die Beweisaufnahme habe zudem ergeben, dass die Berater der Accessio AG gehalten waren, die Kunden vor Zeichnung der Wertpapiere über die entsprechenden produktbezogenen Risiken aufzuklären und vor Zeichnung eine Abfrage der Risikobereitschaft und Kenntnis des Kunden durchzuführen. Es hänge vom Anlageprofil und Anlageziel des Kunden ab, ob eine Aufklärung beim Erwerb von Wertpapieren dahingehend erforderlich sei, dass diese nicht wie Spareinlagen von der gesetzlichen Einlagensicherung umfasst sind. Wenn der Anleger bereits umfassend, zum Beispiel über ein Totalverlustrisiko aufgeklärt worden sei, sei eine gesonderte Aufklärung über den fehlenden Schutz durch den Einlagensicherungsfond nicht mehr erforderlich, weil der Hinweis auf ein Totalverlustrisiko denklogisch bereits die Information eines fehlenden anderweitigen Sicherungsmechanismus beinhalte, so das Gericht.
Das Gericht sah es auch nicht als ein sittenwidriges Geschäftsmodell an, wenn die über Tagesgelder gewonnenen Kunden nach dem Auslaufen der Tagesgelder für andere Produkte wie Unternehmensanleihen durch Werbung gewonnen werden sollten. Das werbemäßige Angebot von Unternehmensanleihen an – unterstellt – risikoscheue Anleger, stelle sich nicht als unzulässig dar, wenn in dem nachfolgenden Beratungsgespräch eine zutreffende Risikoaufklärung erfolge und der Kunde auf deren Grundlage vom früheren Anlageziel abrücke und sich für ein bestimmtes Anlageprodukt entscheide.
Im Übrigen haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die vermittelten Kapitalanlagen wegen behaupteter "Klumpenrisiken" und einer erheblichen Marktenge alle ungeeignet gewesen sein sollen. Die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der Emittenten werden nicht aufgezeigt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.05.2013
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online