18.10.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil15.01.2015

Untersagung der Lotsentätigkeit wegen Überschreitung der Richt­geschwindig­keit unzulässigSeelotse erhält Schadensersatz wegen Verdien­st­ausfalls in Höhe von 40.000 Euro

Hält ein Seelotse auf der Elbe sich nicht an die empfohlenen Richt­geschwindig­keiten, ohne dass es zu einer konkreten Gefährdung der Schifffahrt auf der Elbe kommt, so darf die Wasser- und Schiff­fahrts­direktion ihm nicht vorläufig die Seelot­s­en­tä­tigkeit untersagen. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht und sprach damit einem Seelotsen Schadenersatz wegen Verdien­st­ausfalls in Höhe von mehr als 40.000 Euro zu, weil die Wasser- und Schiff­fahrts­ver­waltung des Bundes ihm rechtswidrig die Tätigkeit als Seelotse untersagt hatte.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Seelotse auf der Elbe. Im Februar 2011 lotste er einen Frachter durch das Gebiet der Elbmündung. Dabei fuhr das Schiff schneller als die empfohlene Geschwindigkeit, unter anderem mehr als 18 Knoten statt empfohlener 12 Knoten. Die Geschwin­dig­keits­emp­feh­lungen ergaben sich aus einem Flyer, den die Wasser- und Schiff­fahrts­di­rektion Hamburg unter dem Titel "Gefährdung durch Sog und Wellenschlag" herausgegeben hatte. Der Inhalt des Flyers war mit der Seelot­sen­brü­der­schaft Elbe, deren Mitglied der Kläger war, abgestimmt. Die Wasser- und Schiff­fahrts­di­rektion Nord in Kiel untersagte im März 2011 dem Kläger vorläufig die Ausübung seiner Tätigkeit als Seelotse und gab ihm auf, ein seeärztliches Zeugnis zum Nachweis seiner verkehr­s­psy­cho­lo­gischen Eignung vorzulegen. Die Behörde begründete diesen Schritt damit, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren seiner Lotsentätigkeit vier Mal die empfohlene sichere Geschwindigkeit überschritten habe. Der Kläger wehrte sich gegen die behördliche Entscheidung. Letztendlich schloss er mit der Wasser- und Schiff­fahrts­di­rektion vor dem Verwal­tungs­gericht einen Vergleich, nach dem er wieder als Seelotse tätig werden konnte. Aufgrund der mehrmonatigen Untätigkeit hatte der Kläger Verdien­st­ausfall, den er im Wege der Amtshaftung von der Bundesrepublik Deutschland als Träger der Wasser- und Schiff­fahrts­ver­waltung verlangt.

Gericht erklärt vorläufige Untersagung der Seelot­s­en­tä­tigkeit für rechtswidrig

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied, dass die vorläufige Untersagung der Seelot­s­en­tä­tigkeit durch die Wasser- und Schiff­fahrts­di­rektion rechtswidrig war, so dass der Kläger Verdien­st­ausfall in Höhe von mehr als 40.000 Euro als Schaden von der Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Wasser- und Schiff­fahrts­di­rektion verlangen kann. Nach dem Seelotsgesetz kann einem Seelotsen die Berufsausübung vorläufig nur untersagt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die "Bestallung" (Zulassung als Seelotse) widerrufen werden wird und zudem die Sicherheit der Schifffahrt diesen Schritt erfordert. Die Zulassung als Seelotse ist zu widerrufen, wenn der Seelotse die ihm obliegenden Pflichten gröblich verletzt hat und sich hieraus ergibt, dass er ungeeignet ist, seinen Beruf weiter auszuüben.

Empfehlung der zu fahrenden Geschwindigkeit stellt keine Anordnung einer Höchst­ge­schwin­digkeit dar

Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Pflicht­ver­ges­senheit des Klägers anlässlich der Lotsenfahrt am 13. Februar 2011 ein derartiges Ausmaß erreicht hatte, gab es zum Zeitpunkt der vorläufigen Untersagung nicht. Nach den Regeln der Seeschiff­fahrt­s­traßen-Ordnung haben Fahrzeuge mit einer sicheren Geschwindigkeit zu fahren und ihre Geschwindigkeit rechtzeitig soweit zu vermindern, wie es erforderlich ist, um Gefährdungen durch Sog und Wellenschlag zu vermeiden. Die vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg herausgegebenen Empfehlungen zu den zu fahrenden Geschwin­dig­keiten stellen allerdings keine Anordnung von Höchst­ge­schwin­dig­keiten dar, sondern sind lediglich Orien­tie­rungswerte, bei deren Erreichen es für den Schiffsführer bzw. für den Lotsen Anlass gibt, die Geschwindigkeit mit Blick auf gegebene Gefährdungen durch Sog und Wellenschlag zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Dies ergibt sich aus den Informationen des Wasser- und Schiff­fahrt­samtes Hamburg. In dem Flyer ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Schiffswellen am Elbufer erhebliche Schäden verursachen können, wenn die Bestimmungen der Seeschiff­fahrt­s­traßen-Ordnung nicht ausreichend beachtet werden und keine Orientierung an den Richt­ge­schwin­dig­keiten erfolgt. Das Wort "Orientierung" weist darauf hin, dass die Richtgeschwindigkeit gerade keine Obergrenze der erlaubten Geschwindigkeit sein soll.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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