21.11.2024
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Sozialgericht Trier Urteil21.07.2010

Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II können nicht die Übernahme der Kosten für eine zu hohe Stromrechnung verlangenÜbernahme von Kosten muss "gerechtfertigt" sein

Liegt eine Notsituation vor, in der ein Antragsteller von Obdachlosigkeit bedroht ist, so können finanzielle Hilfen gewährt werden. Auch das Abstellen des Stroms in der kalten Jahreszeit kann eine vergleichbare Notlage begründen, da eine Unterkunft dann möglicherweise unbewohnbar wird. Jedoch muss der Hilfesuchende zunächst alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausgeschöpft haben. So ist eine zu hohe Stromrechnung durch das Reduzieren des Stromverbrauchs zu vermeiden. Erfolgt dies nicht, so kann auch die Gewährung eines einmaligen Darlehens die Notsituation nicht dauerhaft verbessern. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Trier hervor.

Im vorliegenden Fall verlangte eine Bezieherin von Arbeits­lo­sengeld die Übernahme ihrer viel zu hohen Stromrechnung von der Arbeits­ge­mein­schaft der Agentur für Arbeit. Die geschiedene Frau lebte in einem Einfamilienhaus, das im Eigentum ihres Mannes und ihr selbst stand. Das Haus verfügte über eine Öl-Zentralheizung, die Warmwas­ser­ver­sorgung erfolgt über einen Durch­lau­f­er­hitzer. Ende des Jahres 2009 wurde die Frau arbeitslos und erhielt seitdem Unterstützung nach dem Dritten Sozial­ge­setzbuch. In einem Antrag verlangte sie ein Darlehen von der Arbeits­ge­mein­schaft der Agentur für Arbeit, um die Forderung des Stromversorgers in Höhe von 5.065 Euro auszugleichen.

Stromanbieter erhebt monatliche Abschlags­zahlung in Höhe von 967 Euro

Ab dem Jahr 2008 befand sich die Antragstellerin bereits im Verzug mit der Begleichung ihrer Stromrechnung, so dass ihr der Stromzähler ausgebaut wurde. Die Frau wechselte schließlich den Stromanbieter. Kurz darauf endete auch dieses Vertrags­ver­hältnis mit einer noch offenen Rechnung in Höhe von 5.065 Euro. Nachdem die Frau zu ihrem ersten Stromanbieter zurück wechselte, erhob dieser eine monatliche Abschlags­zahlung in Höhe von 967 Euro. Die Antragstellerin trug in ihrer Begründung vor, sie könne sich den hohen Stromverbrauch nicht erklären. Sie habe in ihrem Haushalt nur die üblichen Haushaltsgeräte in Betrieb.

Kostenübernahme ist nur gerechtfertigt, wenn dies zur Sicherung einer kosten­an­ge­messenen Unterkunft beiträgt

Das Sozialgericht Trier entschied, dass die Antragstellerin kein Recht auf Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich ihrer Stromrechnung hatte. In der Begründung hieß es, das Tatbe­stands­merkmal der "Rechtfertigung" (§ 22 Abs. 5 SGB II) sei nicht erfüllt. Hierbei sei zu klären, ob der Hilfesuchende alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausgeschöpft habe. So habe die Frau ihren Stromverbrauch jedoch nicht reduziert und damit keine Maßnahme getroffen, die Entstehung hoher Kosten zu vermeiden. Zur Frage der Rechtfertigung gehöre auch der Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Übernahme von Rückständen nicht gerechtfertigt sei, wenn dies zur Sicherung einer nicht kosten­an­ge­messenen Unterkunft führen würde. Die Antragstellerin bewohne als Einzelperson ein Haus, dessen monatliche Kosten sich auf 752 Euro beliefen, angemessen sei jedoch ein Betrag in Höhe von 325 Euro.

Es liegt keine Notsituation vor, die mit einmaliger Gewährung eines Darlehens beseitigt wäre

Selbst wenn die Agentur für Arbeit die Stromkosten begleichen würde, könne die Frau die laufenden Unter­kunfts­kosten inklusive der monatlichen Stromabschläge nicht tragen. Es müssten ständig neue Darlehen gewährt werden, um die Stromzufuhr zu gewährleisten. Eine einmalige Notsituation, die durch Gewährung eines Darlehens dauerhaft beseitigt werden könnte, liege nicht vor. Eine Notlage liege vor, wenn Wohnungs­lo­sigkeit drohe. Eine vergleichbare Situation sei anzunehmen, wenn für eine Wohnung die Sperrung der Energiezufuhr drohe, da dies zu einer faktischen Unbewohnbarkeit insbesondere in der kalten Jahreszeit führe.

Agentur für Arbeit bietet Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung im Falle des Umzugs in günstigere Unterkunft an

Die Agentur für Arbeit habe der Frau sogar angeboten, bei einem Umzug in eine als angemessen angesehene Wohnung die entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung zukünftig zu übernehmen. In diesem Fall wäre eine Beheizung mit Strom wie gegenwärtig in dem Haus nicht erforderlich und die anfallenden, in der Regelleistung enthaltenen Stromkosten wären finanziell für die Frau verkraftbar. Jedoch sei sie zu einem Auszug aus dem Einfamilienhaus nicht bereit gewesen, so dass sie selbst die Verantwortung dafür trage, wenn sie weiterhin ohne Stromversorgung leben müsse.

Quelle: ra-online, Sozialgericht Trier (vt/st)

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