15.11.2024
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Sozialgericht Stuttgart Urteil22.03.2012

Erhöhung der Verletztenrente: Epileptischer Anfall im Swinger-Club kann auf früheren Arbeitsunfall zurückgeführt werdenAuch leichtere Schädel­ver­let­zungen können noch binnen ca. 15 Jahren Grundlage für epileptischen Anfall sein

Ein epileptischer Anfall im Swinger-Club kann Folge eines Arbeitsunfalls sein und ist dann zusätzlich zu entschädigen. Dies entschied das Sozialgericht Stuttgart.

In dem vorliegenden Fall stürzte der Kläger, gelernter Mauerer, bei seiner Tätigkeit mehrere Meter von einem Dach in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzungen, unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma. Nach künstlichem Koma und langer Rekonvaleszenz konnte er anschließend nur noch stundenweise als Bauhelfer tätig sein und bezog eine Teil-Rente auf unbestimmte Zeit von der zuständigen Berufs­ge­nos­sen­schaft. Der Sturz vom Dach war als Arbeitsunfall anerkannt worden. Knapp acht Jahre später erlitt der Kläger um etwa 4 Uhr in der Nacht in einem sog. Swinger-Club einen Zusammenbruch, bei dem er sich weitere, mittlerweile ausgeheilte Verletzungen des Rückens zuzog. Dies wurde später als epileptischer Anfall eingeordnet; der Kläger musste diesbezügliche Medikamente nehmen.

Zweifel an dem epileptischen Anfall – Berufs­ge­nos­sen­schaft verweigert Rentenerhöhung

Sowohl ein von der Berufs­ge­nos­sen­schaft eingeholtes Gutachten einer Neurologin als auch ein im späteren Gerichts­ver­fahren von einem Neurologen erstelltes Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass ein epileptischer Anfall vorliegt. Angesichts der erheblichen Schwere der früheren Schädel­ver­letzung sei dieser auch dessen Folge. Die schweren Schädel­ver­let­zungen hätten die Grundlage für dieses neurologische Leiden gelegt. In der Konsequenz seien die Einschränkungen durch die weitere Anfallsneigung, Medika­men­ten­pflich­tigkeit sowie zeitweises Autofahrverbot mit zu entschädigen und die Rente nach einem höheren Satz zu gewähren. Die renten­ge­währende Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnte dies auch im Gerichts­ver­fahren weiterhin ab. Vor allem die unklaren Umstände vor Ort in einem solchen Etablissement und während des Anfalls, eine anzunehmende Übermüdung sowie ein bloß einmaliges Ereignis sprächen gegen einen hier zu fordernden maßgeblichen rechtlichen Zusammenhang. Es sei noch nicht einmal klar, ob es sich um einen echten epileptischen Anfall handele.

Neurologische Gutachten führen zur Gewährung einer höheren Verletztenrente

Dieser Auffassung widersprach das Sozialgericht Stuttgart und gab einer Klage des Dachdeckers statt. Eine Verletztenrente sei nun zeitweise nach einem höheren Satz zu gewähren. Auch ohne einen Ortstermin und Zeugen­be­fra­gungen zu weiteren Einzelheiten in der Anfallsnacht folgte das Sozialgericht Stuttgart den Darstellungen der beiden befassten Neurologen. Denn ein gesunder Mensch erleide beim Besuch eines Swinger-Clubs zu nacht­schla­fender Zeit keinen epileptischen Anfall, wenn keine Vorschäden bestünden. Ein solcher Anfall bedürfe hirnorganischer Veränderungen, um zu entstehen. Dabei sei mittlerweile in der Medizin anerkannt, dass auch leichtere Schädel­ver­let­zungen noch binnen ca. 15 Jahren Grundlage für einen solchen Anfall sein könnten. Vorliegend handele es sich um eine äußerst schwere Schädel­ver­letzung und der erste Anfall sei innerhalb von acht Jahren nach dem Vorgang aufgetreten. Es habe auch nicht erst ein weiterer Anfall des mittlerweile mit entsprechenden Medikamenten behandelten Klägers auftreten müssen. Das Gericht habe sich dabei weder zum Anfallsort eine moralische Bewertung abzugeben noch diesbezüglich mangels Erheblichkeit weitere Ermittlungen anzustellen gehabt. Die medizinischen Rahmen­be­din­gungen und nicht die sozialen seien hier maßgeblich gewesen.

Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online

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