21.11.2024
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Sozialgericht Marburg Beschluss01.11.2012

Bildungspaket erfasst auch Therapiekosten bei LernschwächeJobcenter muss Kosten für Legasthenie-Therapie übernehmen

Hilfsbedürftige Schüler die eine Lese- und Rechts­schreib­schwäche haben, müssen die Kosten für eine entsprechende Therapie nicht aus eigener Tasche zahlen, sondern können diese über das Hartz IV- Bildungspaket vom Jobcenter bezahlt bekommen. Dies entschied das Sozialgericht Marburg.

Im zugrunde liegenden Streitfall leidet die 12-jährige Antragstellerin aus Marburg unter einer Lese- und Rechts­schreib­schwäche. Sie wird seit der 1. Klasse von der Schule gefördert. Trotzdem konnte sie das Leistungsniveau ihrer Klassen­ka­meraden noch nicht erreichen. Seit dem Jahr 2011 erhält sie eine besondere Therapie, die aufgrund eines richterlichen Beschlusses auch zunächst vom Jobcenter bezahlt wurde. Im Juli 2012 lehnte das Jobcenter die weitere Zahlung mit der Begründung ab, dass eine dauerhafte Förderung vom Gesetz nicht vorgesehen sei.

Legasthenie verschlechtert Bildungschancen

Im gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Marburg bekam die Antragstellerin jedoch Recht. Die zuständige Marburger Richterin begründete den Beschluss damit, dass eine Lese- und Recht­schreib­schwäche sich massiv auf das Bildungsniveau und damit auch auf die Berufschancen auswirke, wenn sie unbehandelt bleibe. Lesen und Schreiben seien elementare Fähigkeiten, die jeder Schüler können müsse, um später eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Zwar sei dies grundsätzlich Aufgabe der Schulen. Dies gelte aber nur, soweit die schulischen Förde­rungs­mög­lich­keiten ausreichend seien, um die Schwächen zu beheben. Soweit durch die Lernschwäche keine soziale Isolation oder eine seelische Erkrankung drohe, könne das Jobcenter die Betroffenen auch nicht auf das Jugendamt verweisen, sondern müsse die Leistung aus dem Bildungspaket erbringen. Eine zeitliche Begrenzung der Förderung sehe das Gesetz nicht vor.

Schüler dürfen nicht wegen finanzieller Aspekte unter intellektuellen Möglichkeiten blieben

Eine Ablehnung der Leistungen sei nur dann möglich, wenn Schüler über ihre eigentlichen geistigen Möglichkeiten hinaus gefördert werden sollten. Die Antragstellerin sei aber überdurch­schnittlich intelligent, so dass die Lese- und Recht­schreib­schwäche die Ausschöpfung dieses geistigen Potentials nicht behindern dürfe. Keinesfalls dürfe es dazu kommen, dass solche Schüler wegen finanzieller Aspekte unter ihren intellektuellen Möglichkeiten blieben.

Quelle: Sozialgericht Marburg/ra-online

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