Dokument-Nr. 28119
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Sozialgericht Mainz Beschluss07.10.2019
Jobcenter muss Anschaffungskosten für gebrauchten PC und preiswertesten Microsoft-Office-Paket übernehmen bei Besuch einer Berufsfachschule mit IT-SchwerpunktEntsprechende verfassungskonforme Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II
Bei einem Besuch einer Berufsfachschule mit einem IT-Schwerpunkt muss das Jobcenter gemäß einer entsprechenden verfassungskonformen Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II die Kosten für die Anschaffung eines gebrauchten PCs und des preiswertesten Microsoft Office-Pakets übernehmen. Dies hat das Sozialgericht Mainz entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall beantragte der Vater eines 15-jährigen Schülers im Februar 2019 beim Jobcenter die Übernahme von Kosten zur Anschaffung eines internetfähigen Computers in Höhe von 495 Euro. Der Schüler besuchte eine Berufsfachschule für Informationsverarbeitung und Mediengestaltung. Er musste im Rahmen des Unterrichts zu Hause eigenständige Arbeiten erstellen - insbesondere mit Textverarbeitung, Excel, Power Point und einfachen Zeichenprogrammen. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab. Es verwies auf die mögliche Computernutzung in der Schule oder der Bibliothek. Zudem könne der Schüler den Computer seiner Tante nutzen. Der Vater des Schülers war damit nicht einverstanden und versuchte seinen Antrag im Wege des Eilrechtsschutzes gerichtlich durchzusetzen.
Jobcenter zur Kostenübernahme verpflichtet
Das Sozialgericht Mainz entschied im Eilrechtsverfahren zu Gunsten des Schülers. Das Jobcenter habe in entsprechender verfassungskonformer Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II vorläufig die Kosten für den Ankauf eines gebrauchten PCs oder Laptops in Höhe von bis zu 150 Euro sowie für die Anschaffung des preiswertesten Microsoft Office-Pakets zu übernehmen. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten eines neuen PCs bestehe dagegen nicht, da die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lediglich einfache und bescheidene Lebensverhältnisse ermöglichen sollen, wie sie Geringverdiener realisieren können.
Zwingender schulischer Bedarf für Computer
Der Schüler habe einen zwingenden schulischen Bedarf für den Computer geltend gemacht, so das Sozialgericht. Dieser Bedarf sei aufgrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) durch den Staat zu decken. Der Schüler könne nicht auf einen von Öffnungszeiten und nicht zu beeinflussender Softwareausstattung geprägten PC-Zugang in einer Bibliothek oder in einem Computerraum verwiesen werden. Auch ein Verweis auf die mögliche Leihe des PC der Tante sei unzulässig, da der Schüler es nicht in der Hand habe, ob dies immer gelingt. Der schulische Erfolg könne nicht vom Wohlwollen Dritter abhängig gemacht werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.11.2019
Quelle: Sozialgericht Mainz, ra-online (vt/rb)
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