Sozialgericht Karlsruhe Urteil03.03.2011
Hartz IV-Empfänger hat keinen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung bei LactoseintoleranzAusweichen auf angebotene kostengünstige lactosefreie Kost und Sojaprodukte zumutbar
Ein Bezieher von Arbeitslosengeld II hat keinen Anspruch auf monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung bei Lactoseintoleranz. Auch probiotische Nahrungsergänzungsmittel beim Bezug von Hartz IV nicht mehrbedarfsfähig. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.
Die 48jährige Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine Raucherin, die laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II) bezog, machte einen aus medizinischen Gründen bedingten monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung geltend. Sie litt an einer Gleichgewichtsstörung der Darmflora, Gastroenteritis bei nachgewiesener Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit). Der Mehrbedarf mache den Einkauf teurer Schonkost und von probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln erforderlich.
Lactoseintoleranz rechtfertigt keine Gewährung eines krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs
Das Sozialgericht Karlsruhe hat die gegen den Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid des Jobcenters gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Lactoseintoleranz nicht die Gewährung eines krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs rechtfertige. Für Erkrankungen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Humanmedizin keiner spezifischen Diät, sondern einer so genannten „Vollkost“ bedürfen, werde von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern ein Mehrbedarf regelmäßig verneint. Ausgenommen hiervon seien nur verzehrende Erkrankungen, die mit gestörter Nährstoffaufnahme oder Nährstoffernährung einhergehen. Beispielsweise aufgezählt werden in diesem Zusammenhang fortschreitende oder fortgeschrittene Krebsleiden, HIV- und Aids-Erkrankungen, Erkrankungen an Multipler Sklerose sowie schwere Verläufe entzündlicher Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Mit solchen regelmäßig schweren Krankheitsbildern sei eine bloße Lactoseintoleranz nicht vergleichbar. Bei der Lactoseintoleranz handele es sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit. In Deutschland litten schätzungsweise 15 % der Bevölkerung an einer Laktoseintoleranz. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von lactosehaltiger Kost begegnet werden. Lactosefreie Kost für Erwachsene sei tatsächlich auch keineswegs kostenaufwändiger als lactosehaltige Nahrung. Der Klägerin sei deshalb ein Ausweichen auf die in vielen Discountern inzwischen angebotene kostengünstige lactosefreie Kost und insbesondere auch auf sojabasierte Produkte zuzumuten.
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls nicht mehrbedarfsfähig
Ebenso wenig seien probiotische Nahrungsergänzungsmittel mehrbedarfsfähig. Bei ihnen handele es sich nicht Nahrungsmittel im Sinn des Gesetzes, so dass Kosten dafür im Einzelfall allenfalls von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten seien.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.06.2011
Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online