21.11.2024
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Dokument-Nr. 9006

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Sozialgericht Karlsruhe Gerichtsbescheid09.12.2009

Kein ernäh­rungs­be­dingter Mehrbedarf für "Mittelmeerdiät" bei koronarer HerzerkrankungMehrbedarf für spezielle Ernährung in Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge nicht vorgesehen

Einem Patienten, dem wegen einer koronarer Herzerkrankung vom Arzt eine "Mittelmeerdiät" verordnet wurde, hat keinen Anspruch auf Mehrauf­wands­zahlung durch das Sozialamt aufgrund dieser kosten­auf­wän­digeren besonderen Ernährungsform. Dies hat das Sozialgericht Karlsruhe entschieden.

Der Kläger wurde nach einem Herzinfarkt bei koronarer Herzerkrankung mit einer Stent-Einlage versorgt. Sein behandelnder Arzt bescheinigte ihm deswegen die Notwendigkeit einer „Mittelmeerdiät“ als besonderer Ernährungsform. Außerdem leidet der Kläger an einer Hyperlipidämie und einer Hyperurikämie.

Mehrbedarf richtet sich nach medizinischen und ernäh­rungs­wis­sen­schaft­lichen Kriterien

Das beklagte Sozialamt lehnte es ab, dem Kläger hierfür einen Mehrbedarf wegen kosten­auf­wändiger Ernährung zu gewähren. Die deswegen zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage blieb ebenfalls erfolglos: Der Mehrbedarf i.S. des § 30 Abs. 5 SGB XII knüpfe nicht an das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung an, sondern allein an die Tatsache, dass wegen einer Krankheit oder Behinderung eine kosten­auf­wän­digere Ernährung als üblich erforderlich sei. Ein Mehrbedarf setze deshalb voraus, dass im individuellen Fall eines Hilfesuchenden ein Mehrbedarf tatsächlich akut vorhanden sei. Ob die Voraussetzungen eines ernäh­rungs­be­dingten Mehrbedarfs für kranke oder behinderte Menschen vorliege, richte sich nicht nur nach medizinischen, sondern auch nach ernäh­rungs­wis­sen­schaft­lichen Kriterien.

Verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwal­tungs­hand­habung durch typisierten Fallge­stal­tungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Hierzu könnten die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallge­stal­tungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden, denn diese stellten nach der Rechtsprechung eine grundsätzlich geeignete und zutreffende Entschei­dungs­grundlage zur Feststellung zu „Ob“ und „Wie“ eines ernäh­rungs­be­dingten Mehraufwandes dar und gäben als antizipiertes Sachver­stän­di­gen­gut­achten den Gerichten wie auch den Sozialämtern verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwal­tungs­hand­habung. Die Empfehlungen seien die maßgebende Berech­nungs­grundlage für die Festsetzung von Kranken­kos­ten­zulagen in der Sozialhilfe Nach Abschnitt II 4.1 der Empfehlungen in der Fassung der 3. Aufl. vom 01. Oktober 2008 sei nach dem aktuellen Stand der Ernäh­rungs­medizin u.a. bei einer Hyperlipidämie, d.h. einer Erhöhung der Blutfette, und einer Hyperurikämie, d.h. einer Erhöhung der Harnsäure im Blut, regelmäßig eine „Vollkost“ angezeigt.

Erhöhter Kostenaufwand für Mittelmeerdiät nicht ersichtlich

Insoweit sei jedoch regelmäßig ein krank­heits­bedingt erhöhter Ernäh­rungs­mehr­aufwand zu verneinen. Für eine koronare Herzerkrankung nach abgelaufenem Herzinfarkt sei in den Empfehlungen kein ernäh­rungs­be­dingter Mehrbedarf vorgesehen. Zwar sei der Kläger wegen der koronaren Herzerkrankung zur Vermeidung von Re-Infarkten oder sonstigen Gefäß­ver­schlüssen gehalten, den Choles­te­r­in­spiegel des Blutes auch durch eine richtige und ausgewogene Ernährung zu verringern, und sei hierzu auch eine so genannte Mittelmeerdiät durchaus geeignet. Allerdings falle für eine Mittelmeerdiät ein erhöhter Kostenaufwand nicht an. Es handele sich dabei um eine spezielle Auswahl von Lebensmitteln, die im Mittelmeerraum regelmäßig gegessen würden, mit Schwerpunkt auf Gemüse, Salat, Obst, Fisch, Knoblauch, wenig rotem Fleisch, der Verwendung von Olivenöl sowie täglich maximal einem Glas Rotwein. Als Durstlöscher seien in diesem Zusammenhang magnesiumreiche Mineralwasser, verdünnte Fruchtsäfte wie Apfelschorle und grüner Tee zu nennen. Die Mittelmeerdiät verfolge damit - im Ergebnis - den selben Zweck wie eine Vollkost-Ernährung bei Hyperlipidämie. Wenn aber für diese Gesund­heits­s­törung nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins kein Ernäh­rungs­mehr­aufwand anfalle, gelte dies auch für die so genannte Mittelmeerdiät.

Quelle: ra-online, SG Karlsruhe

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