21.11.2024
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Sozialgericht Karlsruhe Beschluss22.12.2009

SG Karlsruhe: Behinderter Mensch hat bei mangelnder Gemeinschafts- und Konzen­tra­ti­o­ns­fä­higkeit keinen Anspruch auf Kostenübernahme für Berufs­bil­dungs­bil­dungs­bereich in einer Behin­der­ten­werksattBundesagentur für Arbeit muss Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben durch entsprechende Maßnahmen bei fehlenden Voraussetzungen nicht übernehmen

Einen Anspruch auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben durch Aufnahme in den Berufs­bil­dungs­bil­dungs­bereich einer Werkstatt für behinderte Menschen hat nur, wer werkstattfähig ist. Werkstatt­fä­higkeit setzt unter anderem Gemein­schafts­fä­higkeit und ein Mindestmaß an Konzen­tra­ti­o­ns­fä­higkeit voraus. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.

Im zugrunde liegenden Fall begehrte der 19 jährige Antragsteller von der Arbeits­ver­waltung die Übernahme von Maßnahmekosten des Berufs­bil­dungs­be­reichs in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Infolge geistiger Behinderung und spastischer beinbetonter Lähmung bei Zustand nach Frühgeburt mit Hirnblutung sind bei ihm behin­der­ten­rechtlich ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B (ständige Begleitung), G, aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos) und RF festgestellt.

Einrich­tungs­träger beanstandet mangelnde Konzen­tra­ti­o­ns­fä­higkeit des Antragsstellers

Nach dreimonatiger Erprobung im Eingangsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen hat der Einrich­tungs­träger in zwei Beobachtungs- und Entwick­lungs­be­richten vom November 2009 unter anderem ausgeführt, der Antragsteller sei mit seinem Elektro­rollstuhl in der Werkstatt zwar mobil, fahre aber ohne Rücksicht auf andere einfach darauf los und verlasse seinen Werkstattplatz spontan, um auf dem Gang Kreise zu drehen. Es falle ihm schwer sich in eine Gruppe einzuordnen und sich an einfache Umgangsformen zu halten. So habe er zum Beispiel Arbeits­ma­te­rialen zu Boden fallen lassen. Als die Betreuerin die Gegenstände aufgehoben habe, habe er sie an den Haaren gezogen, ihr Haare ausgerissen und diese anschließend in den Mund genommen. Der Antragsteller könne sich zudem auch nur sehr kurzfristig konzentrieren – schon beim Erklären einer Aufgabe höre er nicht zu, sondern singe.

Weiter­be­wil­ligung von Maßnahmekosten abgelehnt

Auf der Grundlage dieser Berichte hat die Arbeits­ver­waltung mit Bescheid und Wider­spruchs­be­scheid die Weiter­be­wil­ligung von Maßnahmekosten des Berufs­bil­dungs­be­reichs in einer Werkstatt für behinderte Menschen für die Zeit ab Dezember 2009 abgelehnt.

Sozialgericht befürchtet Eigen- und Fremdgefährdung durch Antragssteller

Das Sozialgericht hat den auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Antrag des Antragstellers abgelehnt und dazu ausgeführt: Der Antragsteller erfülle die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Berufs­bil­dungs­bereich einer Werkstatt für behinderte Menschen derzeit (noch) nicht. Einerseits könne er sich noch nicht hinreichend lange – ca. eine Stunde am Stück – am Werkstattplatz konzentrieren; außerdem verlasse er den Platz eigenmächtig, um mit seinem Rollstuhl im Kreis zu fahren. Nach solchen Pausen sei er dann auch nur schwer wieder in den Werkstatt­betrieb zu integrieren. Zum anderen sei bei ihm sei trotz angemessener Betreuung eine konkrete und erhebliche Eigen- und Fremdgefährdung zu befürchten, die seine Gemein­schafts­fä­higkeit noch ausschließe. Der Vorgang um das Haare ziehen, ausreißen und in den Mund nehmen belege die vom Antragsteller ausgehende Selbst- und Fremdaggression lebensnah und anschaulich.

Begehren des Antragsteller beruhte ausdrücklich auf Förderung des Berufs­bil­dungs­be­reichs durch Werkstatt für behinderte Menschen

Weiter hat das Gericht festgestellt: Der Antragsteller als jemand, der die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen noch nicht erfülle, habe Anspruch auf die Betreuung und Förderung in einer, einer Werkstatt angegliederten Förder- und Betreu­ungs­gruppe. Der im Rechtsstreit notwendig beigeladene Landkreis als Träger der sozia­l­hil­fe­recht­lichen Einglie­de­rungshilfe in Form der werkstatt­bezogen vorgelagerten Förderung und Betreuung sei aber nicht zur Leistungs­er­bringung zu verurteilen gewesen, weil der Antragsteller sein Begehren – auch nach richterlichem Hinweis – ausdrücklich auf die Förderung des Berufs­bil­dungs­be­reichs einer Werkstatt für behinderte Menschen beschränkt habe.

Quelle: ra-online, SG Karlsruhe

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