21.11.2024
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Sozialgericht Karlsruhe Urteil26.07.2012

Schwere Behinderung: Sozia­l­leis­tungs­träger muss bei drohendem Fähig­keits­verlust Kosten für unterstützende pädagogische Maßnahmen übernehmenSozia­l­hil­fe­träger darf Kostenübernahme für pädagogische Fachkraft nicht verweigern

Die Einglie­de­rungshilfe für behinderte Menschen (Hilfe zu angemessener Schulbildung) umfasst ggf. auch die Übernahme von Kosten für eine Fachkraft während des Schul­un­ter­richts und in den Ferienzeiten sowie die Schüler­be­för­derung. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.

In dem zugrunde liegenden Fall leidet der Kläger an einem frühkindlichen Autismus, einer Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen und einer psycho­mo­to­rischen Retardierung. Er bedarf deswegen und wegen fehlender expressiver Sprache und teilweise selbst- und fremd­ge­fähr­denden Verhaltens einer besonderen und intensiven Förderung, Betreuung und Begleitung.

Sozia­l­leis­tungs­träger lehnt Übernahme weiterer Aufwendungen für zusätzliche pädagogische Fachkraft während des Unterrichts ab

Der beklagte Sozia­l­leis­tungs­träger übernahm im Rahmen der Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung die Kosten für eine Schulbegleitung durch eine qualifizierte Person während der Schulzeiten, lehnte aber die Übernahme weiterer Aufwendungen für eine zusätzliche pädagogische Fachkraft während des Unterrichts und in den Ferienzeiten ab. Der zusätzliche Antrag des Klägers auf Sicherstellung seiner Schülerbeförderung nebst Begleitperson wurde von der Beklagten nicht beschieden.

Erzielte Therapieerfolge sollen gewahrt werden

Der Klage wurde insoweit im Wesentlichen vom Sozialgericht Karlsruhe stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Leistungs­pflicht des Sozia­l­hil­fe­trägers im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung sei nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts und mehrerer Landes­so­zi­al­ge­richts außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule nicht ausgeschlossen. Sie bestehe für zumindest unterstützende pädagogische Maßnahmen regelmäßig auch dann, solange und soweit die Schule eine entsprechende Hilfe nicht gewähre oder - wie im zu entscheidenden Fall - darauf verweise, sie nicht erbringen zu können, und deshalb der Einglie­de­rungs­bedarf des behinderten Menschen tatsächlich nicht durch die Schule gedeckt werde. Ob die Schule dazu verpflichtet sei, sei unerheblich. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule sei gerade für ein autistisches Kind mit hohen Anforderungen verbunden. Der autistische Kläger benötige im Schulunterricht aufgrund seiner spezifischen Lernbe­son­der­heiten wie auch der Anforderungen an das Kommunikations- und Inter­ak­ti­o­ns­training besondere pädagogische Hilfestellungen, um bereits erzielte Therapieerfolge nicht zu gefährden und weitere Fortschritte zu erzielen und damit seine Integration in den Schulalltag zu ermöglichen. Die an der Schule tätige Sonder­schul­päd­agogin könne diese Hilfestellungen nach den glaubhaften Angaben der Schule schon aus Zeitgründen nicht erbringen, sondern nur beratend tätig sein.

Übernahme der Aufwendung auch während der Ferienzeiten

Außerdem habe der Kläger Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für eine pädagogische Fachkraft auch während der Ferienzeiten, weil andernfalls die ernsthafte Gefahr bestehe, dass im Schulunterricht erlernte Fähigkeiten wieder verloren gingen und die Familie diesen Bedarf mit Blick auf zwei Geschwis­ter­kinder nicht bewerkstelligen könne.

Hilfeleistungen umfassen auch die Schüler­be­för­derung

Weiter hat die Kammer die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Übernahme der Aufwendungen seiner Schüler­be­för­derung nebst Begleitperson unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts zu entscheiden. Sie hat dabei u.a. darauf hingewiesen, dass die Hilfeleistungen zu einer angemessenen Schulbildung auch die Schüler­be­för­derung umfassen. Sofern keine andere Art der Schüler­be­för­derung in Betracht komme, habe der Hilfeträger den Bedarf des behinderten Menschen ggf. durch Übernahme der für die täglichen Fahrten zur und von der Schule anfallenden Kosten für eine individuelle Beförderung mit einem PKW oder einem Taxi zu decken.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online

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