21.11.2024
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Sozialgericht Karlsruhe Urteil28.06.2019

Sperrzeit bei Aufgabe des Arbeitsplatzes zur Pflege eines nahen AngehörigenZur Anerkennung eines wichtigen Grundes nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III für Arbeits­platz­aufgabe bei der Pflege eines nahen Angehörigen

Die Aufgabe eines Arbeitsplatzes aus persönlichen Belangen, insbesondere bei der Notwendigkeit zur Pflege eines nahen Angehörigen kann ausnahmsweise einen wichtigen Grund darstellen. Bei der Beurteilung, ob ausnahmsweise persönliche Belange die Interessen der Versicherten­gemeinschaft an der Aufrecht­er­haltung des Arbeits­verhältnisses überwiegen, sind jedoch sämtliche Beweggründe und Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls wandte sich gegen eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Die Klägerin löste durch Aufhebungsvertrag am 20. Juli 2018 ihr Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis und zog von ihrem 950 Kilometer entfernten Arbeits- und Wohnort nach K., um dort vor Ort ihre kranke Mutter zu pflegen. Die Beklagte stellte eine sechswöchige Sperrzeit fest. Sie habe ihr Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis durch eigene Kündigung gelöst; die vorgebrachten Gründe hätten den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden können. Die Sperrzeit werde aber auf sechs Wochen verkürzt, da eine besondere Härte anzunehmen sei.

SG weist Klage ab

Die Klage hatte vor dem Sozialgericht Karlsruhe keinen Erfolg. Zwar könne ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses auch aufgrund von persönlichen Bindungen begründet sein. Insbesondere bei der Notwendigkeit zur Pflege eines nahen Angehörigen könne die Aufgabe eines Arbeitsplatzes aus persönlichen Belangen ausnahmsweise einen wichtigen Grund darstellen. Hierbei seien die tatsächlichen Umstände, einerseits der Gesund­heits­zustand der Mutter und der notwendige Pflegeaufwand sowie auch die Bemühungen der Klägerin um anderweitige Unter­stüt­zungs­leis­tungen zu berücksichtigen.

Umstände des Einzelfalls entscheidend

Ein Pflegegrad der Mutter sei zum Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe nicht anerkannt und auch noch nicht beantragt gewesen. Dies sei zwar nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme eines wichtigen Grundes, aber bei der Beurteilung, ob ausnahmsweise persönliche Belange die Interessen der Versi­cher­ten­ge­mein­schaft an der Aufrecht­er­haltung des Arbeits­ver­hält­nisses überwiegen, seien sämtliche Beweggründe und Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Bei der Frage, ob ein Umzug der Klägerin mit der Folge der Arbeitsaufgabe Anfüh­rungs­zeichen "erforderlich" gewesen sei, sei eben zu berücksichtigen, ob anderweitige angemessene und zumutbare Lösungs­mög­lich­keiten durch Unterstützung, beispielsweise ambulant, stationär oder durch andere Angehörige/Bekannte und Freunde möglich gewesen seien.

Keine Berück­sich­tigung moralischer Gründen bei Beurteilung des wichtigen Grundes

Vorliegend hätten auch nach den Angaben der Klägerin jedenfalls anderweitige Option vorgelegen, die von der Klägerin nicht angestrengt worden seien. Dann sei es aber auch im Verant­wor­tungs­bereich der Klägerin, wenn diese keine Unter­stüt­zungs­leis­tungen, z.B. auch durch die Pflegekasse beantrage. Dass die Klägerin sich aus moralischen Gründen selbst um ihre Mutter habe kümmern wollen, sei für das Sozialgericht nachvollziehbar. Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes sei aber im Wesentlichen eine objektive Sichtweise angezeigt. Vorliegend seien anderweitige Unter­stüt­zungs­leis­tungen möglich gewesen, weshalb das Interesse der Versi­cher­ten­ge­mein­schaft aus den genannten Gründen nicht zurücktrete. Aufgrund der Gesamtumstände habe die Beklagte aber nachvollziehbar die Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt und eine besondere Härte bejaht.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)

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