21.11.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil30.04.2013

Schwerst­be­hin­derter muss sich im Rentenalter nicht auf eine "Tagesbetreuung für Senioren" verweisen lassenTeilhabe am gesell­schaft­lichen Leben nur mit perso­nal­in­tensiver Betreuung möglich

Ein Schwerst­be­hin­derter muss sich nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht auf eine "Tagesbetreuung für Senioren" verweisen lassen, sondern darf im perso­nal­in­tensiven Betreu­ungs­bereich bleiben. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn hervor.

Der 66jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens geistig und körperlich schwerst-behindert. Seine Arme und Beine sind gelähmt (so genannte Tetraspastik). Seine Intelligenz ist erheblich gemindert. Weder kann er sprechen noch sich ohne fremde Hilfe mit Nahrung versorgen. Bis zum Tod seiner Mutter 1999 wurde er zuhause betreut. Da seine Leistungs­fä­higkeit nicht ausreichte, eine Werkstatt für Behinderte aufzusuchen, bewilligte ihm der Landes­wohl­fahrts­verband als Rechtsvorgänger des Landkreises Heilbronn ab Februar 2000 Einglie­de­rungshilfe für den auf Schwerst­be­hinderte ausgelegten Förder- und Betreu­ungs­bereich einer Behin­der­ten­ein­richtung. Der Landkreis Heilbronn beendete seine Kostenzusage für den Förder- und Betreu­ungs­bereich im August 2011 (wenige Tage nach dem 65. Geburtstag des Klägers). Stattdessen gewährte er Einglie­de­rungshilfe nur noch für die "Tagesbetreuung für Senioren" der Behin­der­ten­ein­richtung: Mit Erreichen der Altersgrenze sei er nicht mehr verpflichtet, den Kläger, soweit möglich, in das Arbeitsleben zu integrieren.

Betreuerin klagt gegen Wegfall der Einglie­de­rungshilfe für Förder- und Betreu­ungs­bereich einer Behin­der­ten­ein­richtung

Hiergegen wandte sich dessen Betreuerin mit ihrer vor dem Sozialgericht Heilbronn erhobenen Klage. Sie machte geltend, die "Tagesgruppe für Senioren" werde überwiegend von Behinderten aufgesucht, die bis zum 65. Lebensjahr die Werkstatt für Behinderte besucht hätten. Anders als hier seien jene Behinderten wesentlich leistungs­fähiger und könnten ihren Tagesablauf sogar teils selbst strukturieren. Daher komme dort nur ein Mitarbeiter auf 12 Behinderte, im Förder- und Betreu­ungs­bereich hingegen sei die Betreu­ungs­dichte rund drei- bis vierfach so hoch.

SG bejaht Gewährung der Einglie­de­rungshilfe im Förder- und Betreu­ungs­bereich

Das Sozialgericht Heilbronn hat den Landkreis Heilbronn verurteilt, dem Kläger weiter Einglie­de­rungshilfe im Förder- und Betreu­ungs­bereich zu gewähren: Eine Teilhabe am Arbeitsleben sei diesem nie möglich gewesen. Demnach spiele es keine Rolle, dass er zwischen­zeitlich das 65. Lebensjahr vollendet habe. Die Einglie­de­rungshilfe hätte bei ihm von Anfang an darauf abgezielt, ihn am gesell­schaft­lichen Leben teilhaben zu lassen. Dem könne aber weiterhin nur im perso­nal­in­tensiven Betreu­ungs­bereich Rechnung getragen werden.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 53 Abs. 1 Zwölf­tes­So­zi­al­ge­setzbuch [SGB XII]; Sozialhilfe:

Personen, die durch eine Behinderung [...] wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt [...] sind, erhalten Leistungen der Einglie­de­rungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Einglie­de­rungshilfe erfüllt werden kann. [...]

§ 53 Abs. 3 SGB XII:

Besondere Aufgabe der Einglie­de­rungshilfe ist es, [...] eine Behinderung oder deren Folgen [...] zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern [...]

§ 136 Abs. 3 Neuntes Sozial­ge­setzbuch [SGB IX]; Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen:

Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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