15.11.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil14.12.2015

Jobcenter muss Hartz-IV-Empfängerin nach Fehlgeburt weiterhin ungekürzte Miete für angeblich zu teure Wohnung zahlenVerweis des Jobcenters auf angemessene "Kaltmiete" unzureichend

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass das Jobcenter einer Hartz-IV-Empfängerin nach einer Fehlgeburt weiter die ungekürzte Miete für eine angeblich zu teure Wohnung zahlen muss. Die Aufforderung des Jobcenter, die Unter­kunfts­kosten auf eine angemessene "Kaltmiete" zu senken, erklärte das Gericht ebenfalls für missver­ständlich.

Im zugrunde liegenden Verfahren zog eine 1987 geborene, schwangere Hartz IV-Empfängerin im Oktober 2012 in eine Mietwohnung nach Crailsheim. Im Hinblick auf die bevorstehende Geburt übernahm das Jobcenter Landkreis Schwäbisch Hall zunächst die vollen Kosten der Unterkunft in Höhe von 450 Euro (300 Euro "Grundmiete" zzgl. Heiz- und Nebenkosten). Nachdem die Frau jedoch eine Fehlgeburt erlitten hatte, wies das Jobcenter darauf hin, zukünftig nur noch die nach einem sogenannten "schlüssigen Konzept" für eine Person ermittelte "angemessene Kaltmiete" in Höhe von gut 250 Euro zu zahlen, sofern die Leistungs­emp­fängerin nicht ausreichende Bemühungen nachweise, die Unterkunftskosten zu reduzieren. Ab November 2013 übernahm das Jobcenter lediglich die Miete in "angemessener Höhe" (monatlich knapp 50 Euro weniger als zuvor).

Hilfe­be­dürftiger muss vom Jobcenter ausreichend über Differenz zwischen tatsächlichem und angemessenem Mietpreis aufgeklärt werden

Die hiergegen gerichtete Klage - mit der die Frau geltend machte, dass sie sich im fraglichen Zeitraum aufgrund ihrer traumatischen Fehlgeburt nicht um einen Wohnungswechsel habe kümmern können - war erfolgreich. Nach der Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn könne es offen bleiben, ob das "schlüssige Konzept" rechtmäßig sei. Denn das Jobcenter habe bereits deshalb die kompletten Unter­kunfts­kosten zu übernehmen, weil es die Frau mit Verweis auf eine angemessene "Kaltmiete" unzureichend über ihre Pflicht aufgeklärt habe, die Mietkosten zu senken. Nur wenn ein Hilfe­be­dürftiger aber die Differenz zwischen tatsächlichem und dem laut Jobcenter angemessenem Mietpreis kenne, könne dieser entscheiden, welche Kosten­sen­kungs­maß­nahmen er ergreife (mit für ihn ggf. weitreichenden Folgen bis hin zum Verlust der bisherigen Wohnung als Lebens­mit­telpunkt). Dieser Aufklärungs- und Warnfunktion genüge der missver­ständliche Hinweis auf eine angemessene "Kaltmiete" jedoch nicht. Denn hierunter könne sowohl die Netto-Kaltmiete (Wohnraumkosten pro qm ohne Nebenkosten) als auch die Brutto-Kaltmiete (incl. "kalter Nebenkosten" für Müllabfuhr, Wasser, Abwasser etc.) verstanden werden. Ohne einen Wert, der auch diese kalten Betriebskosten umfasse, könne eine Wohnungssuche aus Sicht eines Hartz IV-Empfängers aber nicht vernünftig betrieben werden, weil gerade diese Kosten einen ganz erheblichen Teil der Unter­kunfts­kosten ausmachten. Dies gelte umso mehr, als die Jobcenter selbst bei Einhaltung der ihrer Auffassung nach angemessenen Netto-Kaltmiete nicht quasi "automatisch" die kalten Betriebskosten in tatsächlicher Höhe übernähmen - wie eine erhebliche Anzahl beim Sozialgericht anhängiger Verfahren zeige, in denen ausschließlich um die Übernahme dieser "kalten Nebenkosten" gestritten werde.

Hinweis zur Rechtslage:

Erläuterungen
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB II] werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es [...] nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung ist der insoweit angemessene Quadrat­me­terpreis einer Wohnung sowohl für die Miete selbst als auch für die Mietnebenkosten mittels eines schlüssigen Konzepts für einen Vergleichsraum (wie z.B. hier für den Bereich des Landkreises Schwäbisch Hall) zu ermitteln. Ein solches Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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