18.10.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil22.11.2019

Beantragte Hautstraffungs-OP gilt bei nicht rechtzeitiger Entscheidung der Krankenkasse als genehmigtInformations­schreiben der Krankenkasse über Verzögerungen bei der Entscheidung bedarf einer Unterschrift

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass eine beantragte Hautstraffungs-OP als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet und über Verzögerung nur mit nicht unter­schriebenem Schreiben informiert.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 61-jährige, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin lebte im Kreis Ludwigsburg. Nach einer von der Krankenkasse bezahlten Magen-Bypass-Operation reduzierte sie ihr Körpergewicht um über 40 kg. Mitte April 2018 beantragte sie bei ihrer Krankenkasse die Gewährung von Hautstraf­fungs­ope­ra­tionen am Bauch, den Brüsten, Oberarmen und Oberschenkeln. Sie leide u.a. an einer Makromastie (Brust­fehl­bildung), was sie auch psychisch belaste. Die Krankenkasse informierte die Klägerin am 11. Mai 2018 darüber, dass sie den Antrag nicht binnen der gesetzlichen Fünfwochenfrist bearbeiten könne, weil noch eine Untersuchung beim MDK erforderlich sei. Sie gehe davon aus, eine Entscheidung bis Anfang Juni 2018 treffen zu können. Dieses Schreiben war weder unterschrieben noch der Sachbearbeiter erkennbar, sondern lediglich "Mit freundlichen Grüßen Ihre Krankenkasse" unterzeichnet. Auf das nachfolgende MDK-Gutachten gestützt teilte die Krankenkasse der Klägerin sodann Ende Mai 2018 - nach Ablauf der Fünfwochenfrist - mit, dass die Kosten für die Bauch­de­cken­straffung, nicht jedoch für die weiteren Hautstraf­fungs­ope­ra­tionen übernommen würden. Es bestünden keine Hautreizungen. Zudem sei die erschlaffte Brust mit einem gut sitzenden BH zu kaschieren. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Krankenkasse zurück. Beim Hautman­te­l­über­schuss an Oberarmen und Oberschenkeln sowie den Hängebrüsten handele es sich nicht um eine Krankheit. Es liege auch keine Entstellung vor. Die durch die Hautüber­la­gerung entstehenden Reizungen u.a. an der Hängebrust der Klägerin könnten ausreichend durch Hygie­ne­maß­nahmen und Salben behandelt werden. Hinsichtlich ihrer psychischen Beschwerden könne sich die Klägerin nervenärztlich und psycho­the­ra­peutisch behandeln lassen. Bei den weiteren Straf­fungs­ope­ra­tionen handle es sich um kosmetische Eingriffe.

SG bejaht Anspruch auf Gewährung stationärer Straf­fungs­ope­ra­tionen

Die hiergegen vor dem Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage war erfolgreich. Aufgrund der eingetretenen Geneh­mi­gungs­fiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V habe die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung stationärer Straf­fungs­ope­ra­tionen ihrer Brüste, ihrer Oberarme und ihrer Oberschenkel. So habe die Krankenkasse über den Antrag der Klägerin nicht binnen der maßgeblichen Fünfwochenfrist entschieden. Nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V könne die Krankenkasse zwar, wenn sie die gesetzliche Fünfwochenfrist nicht einhalten kann, dies dem Leistungs­be­rech­tigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mittteilen, so dass dann die Geneh­mi­gungs­fiktion nicht eintrete. Dem genüge das Schreiben vom 11. Mai 2018 mit der Grußformel "Mit freundlichen Grüßen Ihre Krankenkasse" nicht. Denn die Schriftform erfordere nach dem BGB eine Unterschrift. Zudem sei aus dem Schreiben kein Name - auch nicht der des Sachbearbeiters - ersichtlich.

Beantragte Leistungen lagen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungs­ka­talogs der Gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung

Dem Anspruch auf die Straf­fungs­ope­ra­tionen könne auch nicht entge­gen­ge­halten werden, dass die Eingriffe kosmetischer Natur seien. Entscheidend sei vielmehr, ob die Klägerin die Leistung für erforderlich halten durfte und die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungs­ka­talogs der Gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung stehen. Dies treffe hier zu. Der Sankti­o­ns­cha­rakter der Geneh­mi­gungs­fiktion würde letztlich leerlaufen, wenn die Krankenkasse nach Nichtbeachtung der gesetzlichen Fünfwochenfrist anschließend mit Erfolg einwenden könnte, die beantragte Leistung hätte im konkreten Fall gar nicht bewilligt werden dürfen.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB V]:

1 Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Kranken­ver­si­cherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. 2 Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungs­be­rech­tigten hierüber zu unterrichten. 3 Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. 4 [...] 5 Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 [...] nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungs­be­rech­tigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. 6 Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 7 Beschaffen sich Leistungs­be­rechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. [...]. § 126 Abs. 1 BGB: Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namens­un­ter­schrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online (pm/kg)

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