21.11.2024
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Sozialgericht Gießen Urteil12.10.2018

Unfall einer Reinigungskraft bei Beseitigung von Herbstlaub ist nicht unfall­ver­sichertLaubaufsammeln stellt der privaten Lebenssphäre zuzuordnende Arbeit und damit keine unmittelbar betrie­bs­be­zogene Tätigkeit dar

Das Sozialgericht Gießen hat entschieden, dass die Beseitigung von Herbstlaub, die eine Mitarbeiterin vornimmt, ohne arbeits­ver­traglich objektiv hierzu verpflichtet zu sein, auch bei einer Einstufung als gemischte Tätigkeit keinen betrieblichen Bezug aufweist und ein Unfall daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung steht.

Die 1960 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens lebt mit ihrem Ehemann in einem Ein- bis Zwei-Familienhaus im Landkreis Gießen. Neben der Ehewohnung befinden sich in dem Haus weitere Zimmer, die gewerblich vermietet werden ("Monteurzimmer"). Die Klägerin hat mit ihrem Ehemann einen Arbeitsvertrag geschlossen, der u. a. Folgendes vorsieht: "Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, die vermieteten Räumlichkeiten zu reinigen und Betten herzurichten". Am 9. November 2015 sammelte die Klägerin auf dem Grundstück des Hauses vorwiegend im Eingangsbereich Laub auf. Hierbei rutschte sie aus und zog sich eine Sprung­ge­lenk­fraktur zu. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 7. Dezember 2015 und 12. März 2016 lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft die Gewährung von Entschä­di­gungs­leis­tungen mit der Begründung ab, es liege kein Arbeitsunfall vor.

Klägerin verrichtete zur Zeit des Unfalls keine vom Versi­che­rungs­schutz umfasste betrie­bs­be­zogene Tätigkeit

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht Gießen wies zunächst darauf hin, dass der Unfall rechtlich nicht als versicherter Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII einzustufen sei. Die Klägerin sei zwar als Angestellte ihres Ehemannes zur Zeit des Unfalls grundsätzlich Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Im Hinblick auf den Arbeitsvertrag und die im Gerichts­ver­fahren vorgelegten Bescheinigung sowie der Einkom­mens­steu­er­be­scheide sei ein entgeltliches Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis zwischen Angehörigen im Sinne einer abhängigen versi­che­rungs­pflichtigen Beschäftigung dem Grunde nach anzunehmen. Jedoch habe die Klägerin zur Zeit des Unfalls keine den Versi­che­rungs­schutz begründende oder vom Versi­che­rungs­schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung umfasste betrie­bs­be­zogene Tätigkeit verrichtet.

Tätigkeit im Außenbereich kein Teil der Tätig­keits­be­schreibung im Arbeitsvertrag

Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die konkrete Handlung, die zu dem Unfall geführt hat, also die Laubbeseitigung auf dem Grundstück der Eheleute am 9. November 2015, eine versicherte Tätigkeit war. Es habe sich nicht um eine unmittelbar betrie­bs­be­zogene Tätigkeit gehandelt. Es fehle insoweit an dem zu fordernden inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Klägerin habe keine objektiv bestehende arbeits­ver­tragliche Pflicht erfüllt, als sie das Laub auf dem Grundstück beseitigte. Zwar könne der Arbeitgeber regelmäßig innerhalb eines Arbeits­ver­hält­nisses im Rahmen seines Weisungsrechts konkre­ti­sierende Einzel­fa­l­l­a­n­ord­nungen treffen. Hierfür gebe es jedoch keine Anhaltspunkte. Der Arbeitsvertrag umfasse nur einen kleinen Teil der Tätigkeiten, die bei einer gewerblichen Vermietung von Wohnräumen anfielen. Die Tätig­keits­be­schreibung im Arbeitsvertrag selbst ähnele der einer Reinigungskraft im Hotel. Hierzu gehöre keine Tätigkeit im Außenbereich.

Tätigkeit bei Unfall ist privater Lebenssphäre zuzuordnen

Der Außenbereich diene im Übrigen nicht nur dem Zugang zu den gewerblichen Räumen sondern sei auch Außenbereich für die Wohnräume der Klägerin. Es handele sich deshalb um eine "gemischte Tätigkeit" im Sinne des Unfall­ver­si­che­rungs­rechts, weil gleichzeitig zwei verschiedene Tätigkeiten ausgeübt wurden, von denen nur eine versichert war. Hier sei offenkundig, dass der Unfall der Klägerin - Ausrutschen auf nassem Laub - nicht nur auf die Reinigung des Zugangs zu den gewerblichen Räumen, sondern auch auf das Reinigen des Zugangs zu den Wohnräumen zurückzuführen sei. Diese Tätigkeit sei jedoch ihrer privaten Lebenssphäre zuzuordnen.

Quelle: Sozialgericht Gießen/ra-online

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