14.11.2024
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Sozialgericht Dresden Urteil30.11.2017

Hartz-IV: Entschei­dungs­freiheit junger Erwachsener bei Umzugsvorhaben gestärktSG zur Umzugs­zu­si­cherung des Jobcenters bei unter 25 Jahre alten Leistungs­emp­fänger

Ist ein junger Erwachsener einmal von zu Hause ausgezogen, dann ist die Kontrolle des Jobcenters bei weiteren Umzügen beschränkt. Eine erneute Genehmigung für einen Auszug von zu Hause ist dann nicht mehr erforderlich. Dies hat das Sozialgericht Dresden entschieden.

Im vorliegenden Verfahren hatte der 22 Jahre alte Kläger bereits alleinstehend Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") bezogen. Er zog nach Dresden und war zunächst obdachlos. Daraufhin kam er kurz bei seinem Vater unter. Als er einen Vollzeitjob gefunden hatte, meldete er sich vom Arbeits­lo­sengeld II-Bezug ab und mietete ein WG-Zimmer für 300 € warm. Schon nach wenigen Tagen erhielt er die Kündigung des Arbeits­ver­trages und stellte wieder einen Antrag auf Arbeits­lo­sengeld II. Das Jobcenter Dresden bewilligte ihm nur 80 % des Regelbedarfs. Die Kosten der Wohnung erkannte es nicht an, weil der Kläger ohne Zusicherung des Jobcenters umgezogen sei. Hiergegen klagte der Kläger vor dem Sozialgericht.

Zusicherung des Jobcenters nur bei erstmaligem Auszug aus dem Elternhaus nötig

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar erhalten unter 25 Jahre alte Leistungsempfänger nur dann den vollen Regelbedarf und die Kosten der Unterkunft für eine eigene Wohnung, wenn sie vor dem Auszug von den Eltern eine Zusicherung vom Jobcenter erhalten haben. Damit möchte der Gesetzgeber vermeiden, dass die Zahl der Bedarfs­ge­mein­schaften sich auf Kosten der Jobcenter vermehrt. Dies gilt jedoch nur für den erstmaligen Auszug aus dem Elternhaus. Den jungen Leistungs­be­ziehern darf nämlich nicht eine Art "Lebenskontrolle" für alle weiteren Umzüge aufgebürdet werden. Jedenfalls wenn die Rückkehr in das Elternhaus nur unfreiwillig und kurz erfolgt, muss eine erneute Zusicherung nicht eingeholt werden.

Keine Einho­lungs­pflicht der Zusicherung bei Umzug während bestehendem Arbeits­ver­hältnis

Die Klage war auch aus einem anderen Grunde erfolgreich: Der Kläger hatte sich vor dem Umzug vom Leistungsbezug abgemeldet, weil er eine Arbeit gefunden hatte. Mit dem Arbeits­ein­kommen hätte der Kläger keine Unterstützung durch das Jobcenter mehr benötigt. Unter diesen Umständen musste er keine Zusicherung des Jobcenters für den Umzug einholen. Dass der Arbeitsvertrag nach Abschluss des Mietvertrages wieder gekündigt wurde, ist unerheblich. Denn es war für den Kläger nicht vorhersehbar. Er konnte darlegen, dass er die Kündigung weder provoziert noch verschuldet hatte. Das Sozialgericht verurteilte das Jobcenter daher zu Zahlung des vollen Regelbedarfs (derzeit: 409 € pro Monat) zuzüglich der Kosten der Unterkunft im WG-Zimmer.

Erläuterungen
§ 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II):

Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1. die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,

2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder

3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

§ 20 Abs. 3 SGB II:

Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

Quelle: Sozialgericht Dresden/ ra-online

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