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Sozialgericht Chemnitz Urteil17.10.2012

Hartz IV: Mietobergrenze in Zwickau unzureichend ermitteltDatenerhebung für Mietobergrenzen muss auf systematischen und schlüssigen Kriterien beruhen

Das Jobcenter Zwickau darf sich nicht auf die vom Landkreis Zwickau festgesetzten Mietobergrenzen für Hartz-IV-Empfänger stützen. Dies hat das Sozialgericht Chemnitz entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall gab das Sozialgericht Chemnitz der Klage einer Arbeitsuchenden aus Zwickau und ihrem Sohn, der mit ihr im Haushalt lebte, statt. Die Kläger begehrten die vollständige Übernahme ihrer monatlichen Unterkunftskosten vom 1. Mai 2009 bis 31. März 2010 in Höhe von insgesamt 455 Euro (Kaltmiete 315 Euro plus 70 Euro Vorauszahlung für Nebenkosten und Heizung). Das Jobcenter Zwickau hatte zuletzt monatlich insgesamt 388 Euro übernommen.

Jobcenter beruft sich auf Verwal­tungs­vor­schrift zur einheitlichen Leistungs­ge­währung für Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB

Im Klageverfahren berief sich das Jobcenter auf die am 1. Juli 2012 in Kraft getretene Verwal­tungs­vor­schrift des Landkreises Zwickau zur einheitlichen Leistungs­ge­währung für Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (SGB II) und Sozial­ge­setzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die in der genannten Verwal­tungs­vor­schrift festgelegten Mietgrenzen basieren auf Mietpreis­er­he­bungen, die die Westsächsische Hochschule Zwickau im Auftrag des Landkreises Zwickau durchgeführt hatte. Die maßgebenden Kriterien für diese Erhebungen sind im Methodenbericht zur Mietwert­er­hebung im Landkreis Zwickau zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft aus dem September 2011 zusammengefasst. Die in der Verwal­tungs­vor­schrift ausgewiesene Obergrenze der Grundmiete ohne Nebenkosten für Zweipersonen-Haushalte in der Stadt Zwickau beträgt 273 Euro. In der zum 30. Juni 2012 geltenden Richtlinie des Landkreises Zwickau lag die Obergrenze für die Grundmiete eines Zweipersonen-Haushalts in der Stadt Zwickau noch bei 250 Euro.

Kläger erhielt mach Auffassung des Jobcenters sogar mehr Unterstützung als nötig

Da das Jobcenter im Streitzeitraum insgesamt monatlich 388 Euro übernommen hatte, hatten die Kläger – vom Standpunkt des Jobcenters aus gesehen – sogar mehr erhalten, als ihnen zustand (273 Euro Grundmiete plus 70 Euro Nebenkosten-Vorauszahlung: 343 Euro). Über die Werte der Richtlinie hinaus könnten die Kläger jedenfalls nichts verlangen, argumentierte das Jobcenter.

Methodenbericht erfüllt nicht strenge Anforderungen an schlüssiges Konzept für die Festlegung von Mietobergrenzen

Das Gericht verwarf nunmehr die Mietobergrenzen der aktuellen Verwal­tungs­vor­schrift. Die Werte könnten daher nicht zu Lasten der Leistungs­emp­fänger herangezogen werden. Der Methodenbericht erfüllt nach Ansicht des Gerichts nicht die strengen Anforderungen, die das Bundes­so­zi­al­gericht an ein schlüssiges Konzept für die Festlegung von Mietobergrenzen angelegt hat. Danach müssen, vereinfacht ausgedrückt, die Mietobergrenzen auf einer systematischen und schlüssigen Kriterien folgenden Datenerhebung beruhen.

Vor allem in folgender Hinsicht hat das Sozialgericht das Konzept nicht als hinreichend schlüssig bewertet:

1. Es ist nur die jeweilige Grundmiete ohne die kalten Betriebskosten in die Erhebung einbezogen worden. Die Einbeziehung der kalten Betriebskosten im jeweiligen Vergleichs­gebiet ist zur Abbildung des abstrakt angemessenen Mietpreises zwingend notwendig.

2. Privatvermieter sind bei der Datenerhebung in zu geringem Maße berücksichtigt worden.

3. Die Aufteilung des Kreisgebiets in drei Vergleichs­re­gionen entspricht nicht den Kriterien des Bundes­so­zi­al­ge­richts an die Bestimmung von Vergleichs­räumen. Nicht nachvollziehbar ist etwa, weshalb die Wohnver­hältnisse in Niederfrohna (Region 3) anders beurteilt werden als in Ortsteilen von Limbach-Oberfrohna (Region 2).

4. Die Anwendung der erhobenen Werte auf Zeiten vor dem Inkrafttreten der Verwal­tungs­vor­schrift ist nicht zulässig.

Das Gericht verpflichtete das Jobcenter zur Zahlung der Unter­kunfts­kosten (Grundmiete plus kalte Nebenkosten) anhand der Tabellenwerte aus § 12 Wohngeldgesetz. Die Orientierung an diesen Werten zuzüglich eines Sicher­heits­zu­schlages von 10 % ist in den Fällen zulässig, in denen es an einem schlüssigen Konzept als Grundlage für die kommunalen Mietobergrenzen fehlt und dieser Mangel auch nicht durch Nacher­mitt­lungen heilbar ist.

Anmerkungen:

§ 22 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung lautet:

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Nach der Wohngeldtabelle des § 12 Wohngeldgesetz – WoGG – plus 10 % würden sich für den Zweipersonen-Haushalt der Kläger zu übernehmende Wohnkosten von voraussichtlich 418 Euro (Grundmiete plus Nebenkosten ohne Heizkosten) ergeben.

Bis zum 30. Juni 2012 waren für die Träger der Grundsicherung die Richtlinien des Landkreises Zwickau als zuständiger Sozia­l­leis­tungs­träger zur einheitlichen Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben nach dem Gesetz über die Grund­si­che­rungen für Arbeitssuchende (SGB II) und der Aufgaben nach §§ 29, 31 und 34 Sozial­ge­setzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 10. Juni 2009 maßgebend.

Quelle: Sozialgericht Chemnitz/ra-online

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