21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.
ergänzende Informationen

Sozialgericht Bremen Urteil23.10.2018

Gesetzliche Krankenkasse kann auch zur Kostenübernahme für neuartige Behandlung in den USA verpflichtet seinHöhe der Kosten und fehlende Studien bei mangelnden Behandlungs­alternativen nicht relevant

Das Sozialgericht Bremen hat entschieden, dass eine Gesetzliche Krankenkasse unter bestimmten Umständen auch die Kosten einer neuartigen Behandlung in den USA übernehmen muss. Dies gilt auch dann, wenn zu der Behand­lungs­methode noch keine Studien vorliegen, aber alle behandelnden Ärzte und Gutachter übereinstimmend davon ausgehen, dass die neue Behand­lungs­methode alternativlos ist. Dies gilt nach dem Urteil unabhängig von der Höhe der Kosten.

In dem zugrunde liegenden Verfahren ging es um einen in Bremen lebenden Jugendlichen, der an einer seltenen Erkrankung, einer Bronchitis fibroplastica, litt, die mit lebens­be­droh­lichen Ersti­ckungs­an­fällen verbunden ist. Nachdem ein Mediziner aus Philadelphia, USA, im Jahr 2016 in einer medizinischen Fachzeitschrift eine Studie über eine neue Behand­lungs­methode für diese Erkrankung vorgestellt hatte, beantragten die Eltern des Jungen bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Behandlung bei dem Mediziner in den USA. Die Krankenkasse holte daraufhin beim Medizinischen Dienst der Kranken­ver­si­cherung (MDK) und bei anderen Medizinern Gutachten ein, die sämtlich zu dem Ergebnis kamen, die Behandlung sei wegen der Ausschöpfung sämtlicher Alternativen notwendig. Gleichwohl lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab. Die Methode entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Außerdem seien die Kosten sehr hoch (ca. 300.000 Euro) und die Klinik in den USA mache keine klaren Angaben, wie hoch die Kosten am Ende sein würden.

Krankenkasse muss Kosten tragen

Im August 2017 stellte der Kläger einen Eilantrag. Daraufhin verpflichtet das Sozialgericht Bremen die Krankenkasse, die Behandlungskosten vorläufig zu übernehmen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten wies das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 4. Oktober 2017 zurück (Az.: L 16 KR 444/17 B ER). Daraufhin ließ der Kläger im Herbst 2017 die Behandlung in den USA durchführen. Seither sind nach seinen Angaben keine Ersti­ckungs­anfälle mehr aufgetreten. Die Kosten der Behandlung hat die Krankenkasse entsprechend der Verpflichtung im Eilverfahren vorläufig tragen müssen.

Kranken­ver­si­che­rungsrecht enthält keine Beschränkung des Behand­lungs­an­spruchs wegen hoher Kosten

In dem Klageverfahren ging es noch um die Frage, ob die Krankenkasse die Kosten endgültig tragen muss. Dies hat das Sozialgericht Bremen gestützt auf eine grund­recht­s­o­ri­en­tierte Auslegung des § 2 Abs. 1a i.V.m. § 18 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB V) in seinem Urteil bejaht. Es hat vor allem darauf verwiesen, dass alle mit dem Verfahren befassten Ärzte - auch jene, die die Krankenkasse befragt hat - die Notwendigkeit der Behandlung bejaht haben. Etwas anderes gelte auch nicht, weil die Behandlung in den USA erfolgt sei. Denn eine erfolg­ver­spre­chende Behandlung in Deutschland sei nach überein­stim­mender ärztlicher Auffassung nicht möglich. Eine Herz- und Lungen­trans­plan­tation sei entgegen der Auffassung der Krankenkasse keine Alternative, weil sie mit vielen Risiken für den Jungen verbunden sei. Außerdem sei unklar, ob nicht trotz Transplantation dennoch Ersti­ckungs­anfälle aufträten. Dass zu der neuen Behand­lungs­methode noch keine Studien vorlägen, schließe die Verpflichtung der Krankenkasse zur Zahlung nicht aus, weil es für die Behandlung keine Alternative gäbe. Dass die Kosten des Krankenhauses in den USA wenig transparent - und auch sehr hoch - seien, sei im Kranken­ver­si­che­rungsrecht nicht entscheidend. Das gesetzliche Kranken­ver­si­che­rungsrecht enthalte keine Beschränkung des Behand­lungs­an­spruchs wegen hoher Kosten.

Quelle: Sozialgericht Bremen/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26906

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI