21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Beschluss28.02.2017

Kein Anspruch auf Sozialhilfe für Umstellung auf TV-Standard DVB-T2 HDFernsehempfang muss aus der Regelleistung bezahlt werden

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass das Sozialamt nicht verpflichtet ist, die Kosten für die Anschaffung eines Receivers zum Empfang des Ende März 2017 eingeführten digitalen Anten­nen­fern­sehens DVB-T2 HD zu übernehmen. Auch die zukünftig anfallenden Gebühren für den Empfang privater Fernseh­pro­gramme müssen selbst getragen werden.

In der Nacht vom 28. zum 29. März wird das digitale Anten­nen­fernsehen DVB-T abgeschaltet und auf den neuen Standard DVB-T2 HD umgestellt. Dieser soll eine bessere Bildqualität und eine größere Programmauswahl bieten. Fernseh­zu­schauer, die ihr Programm per Satellit oder Kabel empfangen, sind hiervon nicht betroffen. Menschen, die das Anten­nen­fernsehen nutzen, benötigen zum Empfang des neuen Standards jedoch entweder einen Fernseher mit kompatiblem Empfangsteil oder einen Receiver. Wer Privatfernsehen schauen möchte, muss infolge der Umstellung zusätzlich eine monatliche Gebühr entrichten. Nur die öffentlich-rechtlichen Sender können weiterhin kostenlos empfangen werden.

Sozialamt lehnt Kostenübernahme für Receiver und Empfangs­ge­bühren ab

Die 43 Jahre alte Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls wohnt in Berlin-Treptow und bezieht eine Rente wegen voller Erwer­bs­min­derung und ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozia­l­hil­fe­gesetz (SGB XII). Im September 2016 beantragte sie beim zuständigen Sozialamt des Bezirks Treptow-Köpenick die Übernahme der Kosten für den Kauf eines Receivers in Höhe von 100 Euro sowie die Übernahme der Gebühren zum Empfang der privaten Programme in Höhe von 69 Euro pro Jahr. Dies lehnte das Sozialamt ab.

Antragstellerin sieht sich in grundrechtlich geschützter Menschenwürde verletzt

Am 16. Februar 2017 stellte die anwaltlich vertretene Klägerin beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ("Eilantrag"). Ab dem 1. April 2017 könne sie kein Fernsehen mehr empfangen. Dies verletze sie in ihrer grundrechtlich geschützten Menschenwürde. Der Staat sei nicht nur verpflichtet, das physische Existenzminimum zu gewähren. Er müsse auch ein Mindestmaß an Teilnahme am gesell­schaft­lichen und kulturellen Leben gewährleisten. Die Anschaffung des Receivers entspreche im übrigen der Erstausstattung einer Wohnung mit einem Haushaltsgerät, denn die Begebenheiten hätten sich entscheidend geändert.

Fernseher und Receiver dienen nicht der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse wie Essen und Schlafen

Das Sozialgerichts Berlin lehnte den Antrag ab. Die Antragstellerin habe keine Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung (§ 31 SGB XII). Nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts sei ein Fernsehgerät weder ein Einrich­tungs­ge­genstand noch ein Haushaltsgerät im Sinne der Vorschrift. Zusätzliche Leistungen für die Erstausstattung gebe es nur für Gegenstände zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse wie Essen und Schlafen. Ein Fernseher und damit auch der begehrte Receiver diene indes der Befriedigung von Unterhaltungs- und Infor­ma­ti­o­ns­be­dürf­nissen. Dessen Anschaffung sei aus dem Regelbedarf zu bezahlen.

Es handele sich auch nicht um einen ausnahmsweise zu übernehmenden Sonderbedarf, der erheblich vom durch­schnitt­lichen Bedarf abweiche. Von der Umstellung seien alle Hilfeempfänger gleichermaßen betroffen, die Fernsehen über Antenne empfangen.

Kosten zum Empfang von Privatsendern können aus Regelleistungen gedeckt werden

Die neben dem Receiver begehrten Kosten für den Empfang der Privatsender machten lediglich 69 Euro pro Jahr aus, also 5,75 Euro im Monat. Diesen Betrag könne die Antragstellerin ohne weiteres aus der Regelleistung aufbringen. Dies gelte umso mehr, da sie aufgrund ihrer Schwer­be­hin­derung auch einen pauschalen monatlichen Mehrbedarf von 69,53 Euro pro Monat erhalte, der hierfür eingesetzt werden könne.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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