15.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil04.09.2014

DDR-Damen-Volleyballerin hat Anspruch auf Opferent­schä­digung wegen Vermännlichung, Bewegungs­de­fiziten und Schmerzen nach ZwangsdopingDopingvergabe erfolgte auf Anordnung des DDR-Regimes flächendeckend, systematisch und im Regelfall ohne Aufklärung über die Risiken

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass eine Sportlerin der DDR-Damen-Volley­ball­mann­schaft, die ohne ihr Wissen Dopings­ub­stanzen erhalten hatte und in Folge dessen es bei ihr zu einer Vermännlichung, zu Bewegungs­de­fiziten und Schmerzen gekommen sei, Anspruch auf Leistungen nach dem Opfer­entschädigungs­gesetz hat.

Die 1959 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens stieß mit 13 zum Volleyballteam des SC Dynamo Berlin und wurde mit 15 Mitglied der Volley­ba­ll­na­ti­o­nal­mann­schaft der DDR. 1980 gewann sie mit ihrer Mannschaft bei der Olympiade in Moskau die Silbermedaille. Ein Jahr später beendete sie ihre sportlerische Karriere aus gesund­heit­lichen Gründen. Nach unter­schied­lichen beruflichen Tätigkeiten ist die Klägerin seit 2000 arbeitslos.

Klägerin stellt Antrag auf Leistungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz wegen unwissend erhaltener Dopings­ub­stanzen

Im Jahr 2006 stellte die Klägerin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz. Sie habe zwischen 1972 und 1981 ohne ihr Wissen Dopings­ub­stanzen erhalten. Unter anderem seien ihr 1975 in Vorbereitung auf die Junioren-Europa­meis­ter­schaft blaue Tabletten gegeben worden – es müsse sich um das anabole Steroid Oral-Turinabol gehandelt haben. Auch andere Substanzen seien an ihr getestet worden. In der Folge sei es zu einer unumkehrbaren Vermännlichung ihres äußeren Erschei­nungs­bildes gekommen (z. B. männliche Stimme), was zu Depressionen und Isolation geführt habe. Ihrer Stasi-Akte habe sie zudem entnommen, dass ihr die Sportärzte im Vorfeld der olympischen Spiele erforderliche Behand­lungs­maß­nahmen vorenthalten und stattdessen starke Schmerzmittel verabreicht hätten, um eine Olympi­a­teilnahme nicht zu gefährden. Nach den Spielen sei sie dann als leistungs­sport­un­tauglich eingestuft worden.

Landesamt für Gesundheit und Soziales lehnt Entschä­di­gungs­zahlung ab

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab. Es sei weder geklärt, welche Substanzen die Klägerin eingenommen habe, noch ob sie der Einnahme nicht zugestimmt habe. Die orthopädischen Beschwerden seien darüber hinaus volley­ba­ll­ty­pische Überlas­tungs­schäden.

Sozialgericht bejaht Anspruch auf Versor­gungs­leis­tungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz

Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte nach umfangreichen medizinischen Ermittlungen verurteilt, Versor­gungs­leis­tungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz in Verbindung mit dem Bundes­ver­sor­gungs­gesetz zu gewähren. Infolge des Zwangsdopings leide die Klägerin an einer Instabilität der Kniegelenke, einem Bewegungs­defizit der rechten Schulter und einem Wirbelsäulen-Schmerzsyndrom. Das Gericht hege keine vernünftigen Zweifel, dass die Klägerin in das DDR-Dopingsystem eingebunden gewesen sei, ohne hierin selbst oder über ihre Eltern eingewilligt zu haben. Sowohl die Dopingpraxis des SC Dynamo Berlin als auch des Nationalkaders der DDR seien durch andere Verfahren und Forschungs­projekte hinreichend belegt. Die Dopingvergabe sei auf Anordnung des DDR-Regimes flächendeckend, systematisch und im Regelfall ohne Aufklärung über die Risiken erfolgt. Die orthopädischen Gesund­heits­schäden seien auch Folge des Dopings. Zwar habe auch die übermäßige Trainings­be­lastung ihren Anteil, diese sei aber in dem jugendlichen Alter der Klägerin ohne künstliche Kräftigung der Muskulatur durch Dopings­ub­stanzen gar nicht zu bewältigen gewesen. Für die psychische Erkrankung der Klägerin seien hingegen ganz überwiegend nicht die durch das Doping verursachten orthopädischen Leiden und die Vermännlichung ursächlich, sondern andere Umstände.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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