21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil22.01.2020

Formaler Akt der Taufe und damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche begründen kein Abschie­bungs­verbot nach AfghanistanErnstliche Hinwendung zum christlichen Glauben und Beweggründe für Konversion müssen plausibel dargelegt werden

Für junge, gesunde Männer besteht bei einer Rückkehr in den Raum Kabul und in die Stadt Masar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lebens­ver­hältnisse in Afghanistan regelmäßig auch dann keine Gefahr, die ein Abschie­bungs­verbot begründen, wenn sie keine Unterstützung durch Familien- oder Stamme­s­an­ge­hörige erhalten. Auch allein der formale Akt der Taufe und die damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche führen nicht zu einem Abschie­bungs­verbot. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist ein junger Mann afghanischer Staats­an­ge­hö­rigkeit, der Ende 2015 nach Deutschland einreiste und nach einem Zwischen­auf­enthalt in Schweden einen Asylantrag stellte. Im November 2016 wurde er rechtskräftig wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhob er Klage, die das Verwal­tungs­gericht abwies. Mit der hiergegen eingelegten, auf die Feststellung von Abschie­bungs­verboten beschränkten Berufung machte der Kläger geltend, dass er zwischen­zeitlich katholisch getauft worden sei und infolge seines Übertritts zum christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchte.

Ernstliche Hinwendung zum christlichen Glauben nicht erkennbar

Nach Vernehmung mehrerer Zeugen und Befragung des Klägers zu seiner Hinwendung zum Christentum wies das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz die Berufung zurück. Für den Kläger bestehe kein Abschiebungsverbot. Ihm drohe keine der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK) widersprechende Behandlung in Afghanistan aus religiösen Gründen. Zwar seien Personen, die sich vom Islam abgewandt hätten und zum Christentum konvertiert seien, in Afghanistan Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt, wenn ihre religiöse Überzeugung bekannt werde. Das Gericht sei aber auf der Grundlage des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vermittelten Eindrucks, der Beweisaufnahme und der vorliegenden Unterlagen nicht zu der Überzeugung gelangt, dass bei ihm eine ernstliche Hinwendung zum christlichen Glauben vorliege, die die religiöse Betätigung für ihn auch in Afghanistan unverzichtbar machen würde, um seine religiöse Identität zu wahren. Es sei deshalb weder zu erwarten, dass er in Afghanistan den christlichen Glauben praktizieren würde, noch, dass er durch ein solches Absehen von religiöser Betätigung in innere Konflikte geriete, die nach der EMRK nicht zumutbar wären. Berufe sich ein Schutzsuchender auf eine Gefährdung wegen Konversion zu einem anderen Glauben, müsse er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst hätten. Eine Bindung des Gerichts an die Beurteilung eines Amtsträgers einer christlichen Kirche, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubens­ent­scheidung zugrunde, bestehe nicht.

Beweggründe für Glaubenswechsel nicht ausreichend deutlich und plausibel dargelegt

Wie sich aus den Äußerungen des Klägers und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung ergebe, habe er sich zwar eingehend mit den religiösen Grundlagen und der Praxis des katholischen Glaubens vertraut gemacht. Eine Hinwendung des Klägers zum Christentum, die seine religiöse Identität derart präge, dass für ihn die christlich-religiöse Betätigung unverzichtbar wäre, könne aber nicht festgestellt werden. Die Beweggründe für den Glaubenswechsel seien nicht ausreichend deutlich und plausibel geworden und es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger den Glauben in einer als für sich verbindlich empfundenen Weise praktiziere.

Allein der formale Akt der Taufe und die damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche führten nicht zu einem Abschie­bungs­verbot

Der Kläger gehe mit der von ihm begangenen Tat kaum mit der bei einem angestrebten christlichen Leben zu erwartenden - aktiven bzw. tätigen - Reue und Umkehr um. Auch habe er selbst nicht aktiv auf die Entfernung seines Gebetsteppichs aus seiner Haftzelle hingewirkt und den Wechsel von der religiösen Austauschkost zur "Normalkost" erst knapp ein Jahr nach der Taufe und zudem erst nach Zustellung des erstin­sta­nz­lichen Urteils vollzogen, in dem darauf hingewiesen worden sei, dass er weiterhin religiöse Austauschkost in Anspruch nehme. Im Übrigen zeigten auch ansonsten die Äußerungen des Klägers gegenüber verschiedenen Institutionen im Laufe des Verfahrens des Öfteren eine auf den Adressaten gezielte Anpassung der Inhalte. Allein der formale Akt der Taufe und die damit begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche führten nicht zu einem Abschie­bungs­verbot. Es fehle insoweit an Anhaltspunkten, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrschein­lichkeit Gefahren aufgrund des formalen Beitritts zur katholischen Kirche drohten, insbesondere, dass er in Afghanistan bekannt und zudem als ernsthaft angesehen werde.

Nicht für jede zurückkehrende Zivilperson besteht ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens

Die schlechten allgemeinen Lebens­ver­hältnisse in Afghanistan, insbesondere die instabile Sicherheitslage und die schwierige Versorgungslage, führten ebenfalls nicht zu einem Abschie­bungs­verbot. Der Grad willkürlicher Gewalt durch den inner­staat­lichen bewaffneten Konflikt erreiche kein so hohes Niveau, dass für jede dorthin zurückkehrende Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Kabul oder in Masar-e Sharif bestehe. Von dieser Lage einer jedenfalls nicht landesweit bestehenden Bedrohung gehe auch die sonstige oberge­richtliche Rechtsprechung in Deutschland aus. Junge, männliche afghanische Staats­an­ge­hörige, die - wie der Kläger - keine gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen aufwiesen, seien wegen der humanitären Verhältnisse bei einer Rückkehr in den Raum Kabul regelmäßig nicht von dem für die Feststellung eines Abschie­bungs­verbots erforderlichen hohen Schädi­gungs­niveau bedroht.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online (pm/kg)

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