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Dokument-Nr. 27173

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Urteil03.05.2018Oberlandesgericht München4 OLG 13 Ss 54/18
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • InfAuslR 2018, 303Zeitschrift: Informationsbrief Ausländerrecht (InfAuslR), Jahrgang: 2018, Seite: 303
  • NJW 2018, 3041Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 3041
  • NJW-Spezial 2018, 378Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 378
  • ZAR 2018, 272Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (ZAR), Jahrgang: 2018, Seite: 272
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Freising, Urteil27.10.2017, 6 Ds 506 Js 37436/16
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht München Urteil03.05.2018

Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit wegen unerlaubten Aufenthalts in DeutschlandKeine Strafbarkeit aufgrund erneuter Einzel­fa­ll­prüfung des BAMF auf Basis einer Vereinbarung mit Kirche

Das Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 des Aufent­halts­ge­setzes (AufenthG). Etwas anderes gilt aber dann, wenn das BAMF aufgrund der Vereinbarung mit der Kirche vom 24. Februar 2015 eine erneute Einzel­fa­ll­prüfung vornimmt. In diesem Fall liegt ein rechtliches Ab­schiebungs­hindernis vor, das einen Anspruch auf Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG begründet. Dies hat das Oberlan­des­gericht München entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem der Asylantrag eines nigerianischen Staatsbürgers abgelehnt wurde und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde, flüchtete er nach erfolgloser Klage gegen die Abschiebung im Juli 2016 in einer Pfarrei in Freising ins Kirchenasyl. Der Pfarrer teilte diesen Umstand der Auslän­der­behörde und dem BAMF mit. Entsprechend der Vereinbarung zwischen dem BAMF und der evangelischen und katholischen Kirche vom 24. Februar 2015 kam es in der Folgezeit zu keinem Abschie­be­versuch. Zudem trat das BAMF in eine erneute Einzelfallprüfung ein, nach dessen Abschluss der Angeklagte eine Duldung erhielt. Trotz dessen wurde der Nigerianer von der zuständigen Staats­an­walt­schaft Landshut wegen unerlaubten Aufenthalts in der Zeit des Kirchenasyls angeklagt.

Amtsgericht spricht Angeklagten vom Tatvorwurf frei

Das Amtsgericht Freising sprach den Angeklagten vom Tatvorwurf des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG frei. Nach Auffassung des Gerichts habe aufgrund des Aufenthalts im Kirchenasyl ein Abschie­bungs­hin­dernis bestanden. Ihm hätte daher eine Duldung erteilt werden müssen. Deshalb scheide eine Strafbarkeit aus. Gegen diese Entscheidung legte die Staats­an­walt­schaft Revision ein.

Oberlan­des­gericht verneint ebenfalls Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts

Das Oberlan­des­gericht München bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Staats­an­walt­schaft zurück. Der Angeklagte sei freizusprechen. Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts habe nicht bestanden.

Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit

Zwar führe das Kirchenasyl ebenso wenig wie die bloße Untätigkeit der Auslän­der­behörde nicht zur Straflosigkeit, so das Oberlan­des­gericht. In der Tolerierung des Kirchenasyls als christlich-humanitäre Tradition könne keine Duldung gesehen werden. Das Kirchenasyl sei kein anerkanntes Recht. Das Grundrecht auf Asyl werde durch den Staat garantiert. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesell­schaftliche Inter­es­sens­gruppen, können hier oder in einem anderen Bereich Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allge­mein­ver­bind­lich­keiten für das beanspruchen, was er jeweils für richtig oder falsch halte, noch könne er bestimmen, was erlaubt sei und was nicht. Der Staat sei folglich durch das Kirchenasyl weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, eine Abschiebung durchzuführen. Kirchenasyl verbiete dem Staat kein Handeln und zwinge ihn auch nicht zum Dulden.

Keine Strafbarkeit aufgrund erneuter Einzel­fa­ll­prüfung des BAMF auf Basis der Vereinbarung mit Kirche

Jedoch ergebe sich nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts aus einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Denn aufgrund der erneuten Einzel­fa­ll­prüfung auf Basis der mit der Kirche am 24. Februar 2015 getroffenen Vereinbarung, liege ein rechtliches Abschie­bungs­hin­dernis vor. Dies begründe einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG, solange die Einzel­fa­ll­prüfung anhalte.

Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)

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