Dokument-Nr. 27173
Permalink https://urteile.news/
- InfAuslR 2018, 303Zeitschrift: Informationsbrief Ausländerrecht (InfAuslR), Jahrgang: 2018, Seite: 303
- NJW 2018, 3041Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 3041
- NJW-Spezial 2018, 378Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 378
- ZAR 2018, 272Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (ZAR), Jahrgang: 2018, Seite: 272
- Amtsgericht Freising, Urteil27.10.2017, 6 Ds 506 Js 37436/16
Oberlandesgericht München Urteil03.05.2018
Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit wegen unerlaubten Aufenthalts in DeutschlandKeine Strafbarkeit aufgrund erneuter Einzelfallprüfung des BAMF auf Basis einer Vereinbarung mit Kirche
Das Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Etwas anderes gilt aber dann, wenn das BAMF aufgrund der Vereinbarung mit der Kirche vom 24. Februar 2015 eine erneute Einzelfallprüfung vornimmt. In diesem Fall liegt ein rechtliches Abschiebungshindernis vor, das einen Anspruch auf Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG begründet. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem der Asylantrag eines nigerianischen Staatsbürgers abgelehnt wurde und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde, flüchtete er nach erfolgloser Klage gegen die Abschiebung im Juli 2016 in einer Pfarrei in Freising ins Kirchenasyl. Der Pfarrer teilte diesen Umstand der Ausländerbehörde und dem BAMF mit. Entsprechend der Vereinbarung zwischen dem BAMF und der evangelischen und katholischen Kirche vom 24. Februar 2015 kam es in der Folgezeit zu keinem Abschiebeversuch. Zudem trat das BAMF in eine erneute Einzelfallprüfung ein, nach dessen Abschluss der Angeklagte eine Duldung erhielt. Trotz dessen wurde der Nigerianer von der zuständigen Staatsanwaltschaft Landshut wegen unerlaubten Aufenthalts in der Zeit des Kirchenasyls angeklagt.
Amtsgericht spricht Angeklagten vom Tatvorwurf frei
Das Amtsgericht Freising sprach den Angeklagten vom Tatvorwurf des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG frei. Nach Auffassung des Gerichts habe aufgrund des Aufenthalts im Kirchenasyl ein Abschiebungshindernis bestanden. Ihm hätte daher eine Duldung erteilt werden müssen. Deshalb scheide eine Strafbarkeit aus. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.
Oberlandesgericht verneint ebenfalls Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts
Das Oberlandesgericht München bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Staatsanwaltschaft zurück. Der Angeklagte sei freizusprechen. Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts habe nicht bestanden.
Kirchenasyl führt grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit
Zwar führe das Kirchenasyl ebenso wenig wie die bloße Untätigkeit der Ausländerbehörde nicht zur Straflosigkeit, so das Oberlandesgericht. In der Tolerierung des Kirchenasyls als christlich-humanitäre Tradition könne keine Duldung gesehen werden. Das Kirchenasyl sei kein anerkanntes Recht. Das Grundrecht auf Asyl werde durch den Staat garantiert. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessensgruppen, können hier oder in einem anderen Bereich Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allgemeinverbindlichkeiten für das beanspruchen, was er jeweils für richtig oder falsch halte, noch könne er bestimmen, was erlaubt sei und was nicht. Der Staat sei folglich durch das Kirchenasyl weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, eine Abschiebung durchzuführen. Kirchenasyl verbiete dem Staat kein Handeln und zwinge ihn auch nicht zum Dulden.
Keine Strafbarkeit aufgrund erneuter Einzelfallprüfung des BAMF auf Basis der Vereinbarung mit Kirche
Jedoch ergebe sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts aus einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Denn aufgrund der erneuten Einzelfallprüfung auf Basis der mit der Kirche am 24. Februar 2015 getroffenen Vereinbarung, liege ein rechtliches Abschiebungshindernis vor. Dies begründe einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG, solange die Einzelfallprüfung anhalte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.03.2019
Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil27173
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.