21.11.2024
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Dokument-Nr. 27520

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss12.06.2019

Burkini-Verbot in Badeordnung der Stadt Koblenz verstößt gegen Gleich­behandlungs­gebotRegelung bis zur Entscheidung über Normen­­kon­trol­lantrag in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt

Die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Regelung der Haus- und Badeordnung für die Bäder der Stadt Koblenz über die zulässige Badekleidung, die ein grundsätzliches Verbot des Tragens von Burkinis enthält, verstößt gegen das verfassungs­rechtliche Gleich­behandlungs­gebot. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (sogenanntes Eilverfahren), weshalb es diese Regelung einstweilen bis zur Entscheidung über den Normen­­kon­trol­lantrag in der Hauptsache außer Vollzug setzte. Zugleich regte es bei der Stadt Koblenz an, das angegriffene Burkini-Verbot aufzuheben.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Regelung der Haus- und Badeordnung für die Bäder der Stadt Koblenz enthält seit dem 1. Januar 2019 eine Regelung über die zulässige Badekleidung, wonach der Aufenthalt im Nassbereich nur in Bade­hose, Badeanzug, Bikini oder Badeshorts gestattet ist. Neoprenanzüge sind für Leistungs­schwimmer und Triathleten im Rahmen des Schwimm­trainings zugelassen. Im Rahmen des Schulschwimmens wird das Tragen eines Burkinis erlaubt.

Antragstellerin fühlt sich in Grundrechten der Glaubens­freiheit und allgemeinen Handlungs­freiheit verletzt

Die Antragstellerin, eine syrische Asylbewerberin, machte mit ihrem gegen diese Regelung gestellten Normen­kon­trol­lantrag geltend, dass sie eine gläubige Muslimin sei und an einer Rückenkrankheit leide, aufgrund derer der Besuch eines Schwimmbades dringend erforderlich sei, um ihre Schmerzen zu lindern, wie ihr ärztlich bescheinigt worden sei. Aufgrund ihres Glaubens könne sie nur in einem sogenannten Burkini schwimmen gehen, der bis auf das Gesicht, die Hände und Füße den gesamten Körper bedecke. Die Regelung der Haus- und Badeordnung verletze sie durch den Ausschluss des Tragens eines Burkinis in ihren Grundrechten der Glaubens­freiheit sowie der allgemeinen Handlungs­freiheit und verstoße auch gegen den verfas­sungs­recht­lichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

OVG: Regelung verstößt gegen verfas­sungs­recht­liches Gleich­be­hand­lungsgebot

Ihrem damit verbundenen Eilantrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Regelung der Haus- und Badeordnung über die zulässige Badekleidung bis zu einer Entscheidung über den Normen­kon­trol­lantrag außer Kraft zu setzen, gab das Oberver­wal­tungs­gericht statt. Die Regelung in der Koblenzer Badeordnung über die zulässige Badekleidung verstoße gegen das verfas­sungs­rechtliche Gleich­be­hand­lungsgebot. Der Stadtrat habe das in der Regelung enthaltene Burkini-Verbot letztlich damit begründet, dass bei vollständiger Bekleidung der Badegäste die Kontrolle, ob diese unter ansto­ßer­re­genden Krankheiten, melde­pflichtigen Krankheiten im Sinne des Bundes­seu­chen­ge­setzes, offenen Wunden oder Hautausschlägen litten, unmöglich sei. Die Regelung diene zwar dem Schutz der Badegäste vor Gesund­heits­ge­fahren durch die Ermöglichung der Kontrolle unbedeckter Körperteile. Dieser Zweck werde von der Bestimmung aber nicht konsequent durchgehalten. Vielmehr belaste sie die Trägerinnen von Burkinis ohne zureichende sachliche Gründe stärker als vergleichbare andere Gruppen von Badegästen, welche die städtischen Schwimmbäder mit Badebekleidung nutzen dürften, die den Körper ebenfalls weitgehend bedecke.

Zulässigkeit von Neoprenanzügen für Leistungs­schwimmer und Triathleten und Verbot für Burkinis nicht ausreichend begründet

Dabei könne offenbleiben, ob plausible Gründe dafür bestünden, die Trägerinnen von Burkinis anders zu behandeln als die Trägerinnen von Badeanzügen, die - je nach Schnitt - wesentlich größere Teile des Körpers bedeckten als Bikinis. Jedenfalls sei eine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür, dass die angegriffene Vorschrift Neoprenanzüge für Leistungs­schwimmer und Triathleten im Rahmen des Schwimm­trainings zulasse, im Hinblick auf das den Gesund­heits­schutz der Badegäste verfolgende Regelungs­konzept der Antragsgegnerin nicht erkennbar. Neoprenanzüge könnten ebenso wie Burkinis den ganzen Körper bedecken und hätten unter Umständen auch eine Kopfhaube, sie ließen daher zur Kontrolle durch das Badepersonal nicht weniger Körperteile frei als Burkinis. Dass Neoprenanzüge nur während des Schwimm­trainings zugelassen seien, ändere daran nichts. Dadurch dürfte zwar die Zahl der Badegäste, die in einem solchen schwimmen, und folglich auch die von ihnen ausgehenden potentiellen Gesund­heits­ge­fahren, eher gering sein. Dies gelte aber in gleicher Weise für die Trägerinnen von Burkinis, weil nach den Angaben der Stadt Koblenz die städtischen Schwimmbäder zur Zeit von nur fünf Burkini-Trägerinnen besucht würden. Im Übrigen bleibe auch unklar, warum der Schutz vor Gesund­heits­ge­fahren nachrangig sei, wenn der Burkini im Rahmen des Schulschwimmens getragen werde. Eine wirksame Kontrolle durch das Lehrpersonal erscheine lebensfremd.

Ungleiche Behandlung sachlich nicht gerechtfertigt

Da nach alledem die ungleiche Behandlung von Burkini-Trägerinnen einerseits und Trägerinnen und Trägern von Neoprenanzügen andererseits nach dem Regelungs­programm der Antragsgegnerin sachlich nicht gerechtfertigt sei und gegen den verfas­sungs­recht­lichen Anspruch der Antragstellerin auf Gleich­be­handlung verstoße, bedürfe es keiner Prüfung, ob die Regelung mit der verfas­sungs­rechtlich geschützten allgemeinen Handlungs­freiheit und der Glaubens­freiheit in Einklang stehe.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online (pm/kg)

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