21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil28.08.2019

Aus Bagdad stammende Irakerin hat allein aufgrund der Sicherheits- und humanitären Lage keinen Anspruch auf Abschie­bungs­schutzGefährdungs­wahrscheinlich­keit für Zivil­be­völ­kerung liegt derzeit weit unterhalb der abschiebungs­schutz­relevanten Schwelle

Das Ober­verwaltungs­gericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass die Sicherheitslage in Bagdad aktuell nicht derart schlecht und die humanitären Verhältnisse dort nicht derart prekär sind, dass aufgrund dadurch bedingter allgemeiner Gefahren ohne weiteres ein Anspruch auf unions­recht­lichen oder nationalen Abschie­bungs­schutz besteht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine Schiitin aus Bagdad, reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ablehnte. Auf ihre hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen die Bundesrepublik Deutschland, der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (unions­recht­licher Abschie­bungs­schutz) wegen einer Gefährdung der Klägerin als Zivilperson im Rahmen eines inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts zuzuerkennen.

Die Berufung der Bundesrepublik Deutschland gegen diese Entscheidung hatte Erfolg.

Nicht jede Zivilperson ist allein durch bloße Anwesenheit in Bagdad mit beachtlicher Wahrschein­lichkeit individueller Gefährdung ausgesetzt

Das Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen führte in der Urteils­be­gründung auf, dass offen gelassen werden könne, ob in Bagdad aktuell ein "inner­staat­licher bewaffneter Konflikt" im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliege. Jedenfalls führten die in Bagdad auch nach der weitest gehenden territorialen Zurückdrängung des sogenannten Islamischen Staates (IS) nach wie vor stattfindenden bewaffneten Ausein­an­der­set­zungen sowie die hauptsächlich durch den IS begangenen terroristischen Anschläge nicht ohne weiteres dazu, dass jede Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit in Bagdad mit beachtlicher Wahrschein­lichkeit einer individuellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Die nach der Rechtsprechung für eine solche Annahme erforderliche Gefahrendichte sei nicht erreicht. Die Auswertung der von verschiedenen Organisationen, darunter etwa von UNAMI (Unter­stüt­zungs­mission der Vereinten Nationen im Irak) erfassten Daten habe ergeben, dass die Opferzahlen in Bagdad seit 2018 stetig gesunken und aktuell auf dem seit Jahren niedrigsten Niveau seien. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl Bagdads von sechs bis sieben Millionen ergebe sich für die Zivil­be­völ­kerung eine Gefähr­dungs­wahr­schein­lichkeit, die derzeit weit unterhalb der abschie­bungs­schutz­re­le­vanten Schwelle liege.

"Außer­ge­wöhnliche Situation" für unzulässige Abschiebung aus humanitären Gründen liegt nicht vor

Auch die derzeitige humanitäre Lage in Bagdad führe nicht generell auf ein (nationales) Abschie­bungs­verbot. Zwar sei die Versorgungslage im Irak und auch in Bagdad in vielen Bereichen unzureichend; die Lebens­be­din­gungen seien für große Teile der Bevölkerung sehr schwierig. Zu berücksichtigen seien aber immer auch die individuellen Umstände der schutzsuchenden Person. Das Oberlan­des­gericht schließe nicht aus, dass im Einzelfall, insbesondere bei besonders verletzlichen Personengruppen, eine nach der Rechtsprechung erforderliche "außer­ge­wöhnliche Situation" vorliegen könne, in der aus humanitären Gründen eine Abschiebung unzulässig sei. Im Fall der Klägerin, die im Irak aufgewachsen sei, in Bagdad gelebt habe und dort nach wie vor über Familie­n­an­schluss verfüge, liege eine solche Situation aber nicht vor.

Keine Durchführung zwangsweiser Rückführungen in den Irak

Allgemeinen Gefahren, etwa aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der angespannten Versorgungslage, denen die Bevölkerung im Irak insgesamt ausgesetzt sei, werde durch die derzeitige Erlasslage im Land Nordrhein-Westfalen Rechnung getragen: Es werden - wie schon seit Jahren - grundsätzlich keine zwangsweisen Rückführungen in den Irak durchgeführt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online (pm/kg)

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