Dokument-Nr. 14205
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- JuS 2013, 575Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 575
- NVwZ-RR 2013, 38Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 38
- Kundgebung darf wegen unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf stationäre Veranstaltung beschränkt werdenVerwaltungsgericht Hannover, Beschluss03.08.2012, 10 B 4682/12 und 10 B 4686/12
- BVerfG: Sitzblockade kann nicht immer als strafbare Nötigung angesehen werdenBundesverfassungsgericht, Beschluss07.03.2011, 1 BvR 388/05
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil18.09.2012
Öffentliches Training für Blockade eines "Naziaufmarsches" war zulässigVersammlung war ohne einschränkende Auflagen von Versammlungs- und Meinungsfreiheit geschützt
Das öffentliche Training für die Blockade eines «Naziaufmarsches» in Stolberg war zulässig. Die bloße Durchführung einer derartigen Probeblockade, bei der niemand behindert wird, ist weder als strafbare grobe Störung einer Versammlung (§ 21 VersammlG) noch als strafbare Aufforderung hierzu (§ 111 StGB) zu werten. Dies gilt auch dann, wenn das Training zu einer späteren echten Blockade mobilisieren soll. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger Anfang Februar 2011 ein öffentliches Blockadetraining in Stolberg als Versammlung mit etwa 100 Teilnehmern angemeldet. Das Training war Bestandteil der Mobilisierung des örtlichen Bündnisses "Den Naziaufmarsch gemeinsam blockieren!", das Anfang April 2011 friedliche Massenblockaden zweier Versammlungen rechtsextremer Gruppen plante. Unter Hinweis auf zunehmende rechte Gewalt in der Region hielt das breite gesellschaftliche Bündnis das früher erfolgte Blockieren der Innenstadt nicht mehr für ausreichend. Der Kläger hatte im Vorfeld der Veranstaltung betont, die Friedlichkeit stehe im Vordergrund, Aktionen gegen die Polizei seien nicht geplant.
VG: Blockadetraining stellt strafbaren Aufruf zur Störung einer nicht verbotenen Versammlung dar
Das zuständige Polizeipräsidium untersagte dem Kläger, in seiner Versammlung Taktiken zu vermitteln, die nur den Zweck hätten, nicht verbotene zukünftige Versammlungen zu verhindern. Es gab dem Kläger ferner auf, ehrenamtliche Ordner einzusetzen und die Personalien der Trainer, Ordner oder Redner vorab mitzuteilen. Die gegen diese Auflagen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Es betrachtete das geplante Blockadetraining als strafbaren Aufruf zu einer groben Störung nicht verbotener Versammlungen.
Grundrechte erlauben bloße Durchführung einer Probeblockade
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen folgte dieser Ansicht nicht und erklärte die umstrittenen Auflagen für rechtswidrig. Die Versammlung des Klägers sei ohne einschränkende Auflagen von seiner Versammlungs- und Meinungsfreiheit geschützt gewesen. Sie habe gewaltfrei zur öffentlichen Meinungsbildung hinsichtlich eines angemessenen gesellschaftlichen Umgangs mit rechtsextremen Ideologien beitragen wollen. Straftaten seien auch ohne Ordner nicht zu befürchten gewesen. Die Grundrechte schlössen es aus, die bloße Durchführung einer derartigen Probeblockade, bei der niemand behindert werde, als strafbare grobe Störung einer Versammlung (§ 21 VersammlG) oder als strafbare Aufforderung hierzu (§ 111 StGB) zu werten. Dabei sei unerheblich, dass das Training zu einer späteren echten Blockade habe mobilisieren sollen. Friedliche Blockaden seien grundsätzlich zulässige Mittel, um die öffentliche Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen zu erhöhen. Die Grenze zur Strafbarkeit werde erst dann überschritten, wenn die Teilnehmer einer Versammlung eine andere nicht verbotene Versammlung über eine erhebliche Dauer blockierten, ohne dass deren Teilnehmer ausweichen könnten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.09.2012
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online
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