Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss21.07.2021
Kein wirksamer Rücktritt von Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit 23 Tage nachärztlicher UntersuchungPrüfungsrücktritt muss unverzüglich erklärt werden
Ein Rücktritt von einer Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit ist dann nicht wirksam, wenn er 23 Tage nach der ärztlichen Untersuchung erklärt wird. In diesem Fall ist der Prüfungsrücktritt nicht mehr unverzüglich. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall klagte eine Medizin-Studentin im Jahr 2021 vor dem Verwaltungsgericht Göttingen gegen die Bewertung einer Wiederholungsprüfung als nicht bestanden. Zudem beantragte sie Eilrechtsschutz. Die Studentin hatte die am 29. Januar 2021 stattfindende Prüfung abgebrochen und am 23. Februar 2021 den Rücktritt von der Prüfung erklärt. Sie gab an, vor der Prüfung ängstlich gewesen zu sein. In der Prüfungssituation haben sich plötzlich intensive vegetative Reaktionen wie Zittern, Schweißausbrüche, Mundtrockenheit, Schindel und Unkonzentriertheit gezeigt. Sie sei daher prüfungsunfähig gewesen. Als Beleg legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 1. Februar 2021 vor. Die zuständige Behörde ließ dies nicht gelten, da der Prüfungsrücktritt nicht unverzüglich erklärt worden sei. Das Verwaltungsgericht folgte dem und lehnte daher den Eilrechtsschutzantrag ab. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Studentin.
Keine Unverzüglichkeit des Prüfungsrücktritts
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Prüfungsrücktritt sei nicht unverzüglich erklärt worden. Sie hätte spätestens nach der ärztlichen Untersuchung am 1. Februar 2021 den Rücktritt erklären müssen. Von einem Prüfling, der sich mit Hilfe eines Arztes über während einer Prüfung auftretende etwaige Krankheitssymptome Gewissheit verschafft, sei zu erwarten, dass er unmittelbar im Anschluss daran den Rücktritt erklärt. Zudem sei weder die Prüfungsbehörde noch der Lehrkörper verpflichtet, den Prüfling darauf ausdrücklich hinzuweisen.
Zweifel an Prüfungsunfähigkeit
Zudem hielt das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen einer Prüfungsunfähigkeit für zweifelhaft. Prüfungsstress und Examensängste gehören im Allgemeinen zum Risikobereich des Prüflings. Die mit einer Prüfungssituation typischerweise verbundenen Anspannungen und Belastungen, die zu Konzentrationsstörungen führen, seien vom Prüfling hinzunehmen und nicht als prüfungsrelevantes Defizit der persönlichen Leistungsfähigkeit zu bewerten. Dies sei bei der Studentin offenbar der Fall. Ihre Panikattacke sei Ausdruck der Prüfungsangst, die gerade im letzten Wiederholungsversuch besonders hoch gewesen sein dürfte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.08.2021
Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (vt/rb)