18.10.2024
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Verwaltungsgericht Mainz Urteil05.12.2017

Rücktritt von der Prüfung wegen Krankheit muss unverzüglich beim Prüfungsamt geltend gemacht werdenPrüfling kann sich nach nicht bestandener Prüfung nicht im Nachhinein auf Leistungs­ein­schränkung wegen Krankheit berufen

Muss ein Prüfling wegen einer schweren Erkrankung (hier Lungenembolie) von einer Prüfung zurücktreten, muss den Rücktritt unverzüglich gegenüber dem Prüfungsamt geltend machen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Mainz.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin nahm als Studierende im Studiengang Medizin am 15. und 16. März 2016 in dem für sie letzten Prüfungsversuch an dem schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (Physikum) teil. Am 1. April 2016 wurde sie wegen Luftnot notfallmäßig in ein Krankenhaus aufgenommen; dort wurden ihr eine Lungenembolie und eine Beinven­en­thrombose diagnostiziert. Die Klägerin erhielt am 19. April 2016 die Mitteilung, dass sie den Prüfungsversuch nicht bestanden habe und damit die Prüfung endgültig nicht mehr ablegen könne. Am 21. April 2016 machte die Klägerin bei dem Prüfungsamt ihren nachträglichen Rücktritt von der schriftlichen Physi­kums­prüfung geltend und führte aus, dass sie bereits zwei Wochen vor der Prüfung körperliche Einschränkungen wie Kurzatmigkeit, Herzrasen und plötzliche Erschöp­fungs­zu­stände gehabt habe, die der später festgestellten Lungenembolie zuzurechnen seien. Im Zeitpunkt der Prüfung sei sie nicht in der Lage gewesen, auf eine derart schwere Erkrankung zu schließen und von der Prüfung zurückzutreten. Um an der Prüfung teilnehmen zu können, habe sie Schmerzmittel eingenommen.

Antrag auf nachträglichen Prüfungs­rücktritt bleibt erfolglos

Das Prüfungsamt lehnte die Gewährung eines nachträglichen Prüfungs­rück­tritts ab. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, im Zeitpunkt der Prüfung prüfungsunfähig erkrankt gewesen zu sein; außerdem sei die Geltendmachung des Rücktritts nicht mehr rechtzeitig erfolgt.

Krank­heits­be­zogener Rücktrittsgrund wurde nicht unverzüglich gegenüber dem Prüfungsamt geltend gemacht

Das Verwal­tungs­gericht Mainz wies die Klage auf Genehmigung des Prüfungs­rück­tritts ab. Die Klägerin habe keinen wichtigen Grund für einen Rücktritt von der Physi­kums­prüfung geltend gemacht. Aus den Kranken­h­aus­be­richten und einem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich (auch unter Berück­sich­tigung der am 1. April 2016 festgestellten Lungenembolie) nicht, dass die Klägerin bereits am 15./16. März 2016 prüfungsunfähig erkrankt gewesen sei. Darüber hinaus habe sie den krank­heits­be­zogenen Rücktrittsgrund auch nicht unverzüglich gegenüber dem Prüfungsamt geltend gemacht. Aus Chancen­gleich­heits­gründen - also zur Vermeidung der Gefahr, dass sich ein Prüfling im Vergleich zu den anderen Prüfungs­teil­nehmern zusätzlich eine weitere Prüfungschance verschaffe - müsse der krank­heits­be­dingte Rücktritt unverzüglich erklärt werden, d.h. zu dem zumutbar frühest­mög­lichen Zeitpunkt. Dies gelte insbesondere bei einem Rücktritt nach Ablegen der Prüfung und erst Recht nach der Bekanntgabe des Prüfungs­er­geb­nisses. Hiernach sei die Mitteilung der Klägerin an das Prüfungsamt am 21. April 2016 verspätet.

Unverzügliche Anzeige des krank­heits­be­dingten Rücktritts nach Entlassung aus dem Krankenhaus zumutbar

Die Klägerin habe sich selbst angesichts der Dauer und der Intensität der körperlichen Einschränkungen vor der Prüfung bereits zu diesem Zeitpunkt um eine (ärztliche) Aufklärung ihrer Prüfungs­fä­higkeit bemühen müssen. Komme der Prüfling dieser ihn treffenden Mitwir­kungs­pflicht nicht nach und nehme er an der Prüfung teil, sei es ihm verwehrt, sich im Nachhinein auf eine Leistungs­ein­schränkung zu berufen. Die Klägerin könne sich aber auch nicht darauf berufen, dass sie im Prüfungs­zeitpunkt (Mitte März 2016) unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei, also gehindert gewesen sei, ihre Leistungs­ein­schränkung überhaupt zu erkennen und entsprechend zu handeln. Auch dann gelte aus Chancen­gleich­heits­gründen nämlich die Pflicht, die Prüfungs­un­fä­higkeit unverzüglich nach deren Erkennen vorzubringen. Dem sei die Klägerin mit ihrer Rücktritts­mit­teilung erst am 21. April 2016 jedoch nicht nachgekommen. Es sei ihr angesichts ihrer Angaben zumutbar gewesen, dem Prüfungsamt bereits nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 6. April 2016 den krank­heits­be­dingten Rücktritt anzuzeigen. Auch wenn der Gesund­heits­zustand der Klägerin unmittelbar nach dem Kranken­haus­auf­enthalt noch beeinträchtigt gewesen sein sollte, hätte sie mit einer Mitteilung an das Prüfungsamt jedenfalls nicht bis zum 21. April 2016 zuwarten dürfen. Die Klägerin habe nicht darlegen und nachweisen können, dass sie nach dem Kranken­haus­auf­enthalt weitere zwei Wochen in ihrer Erkenntnis- und Entschei­dungs­fä­higkeit eingeschränkt gewesen sei. Aus Gründen der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungs­teil­nehmern seien im Falle einer schweren, lebens­be­droh­lichen Erkrankung keine grundsätzlich anderen Anforderungen an die Unver­züg­lichkeit des Rücktritts zu stellen. Dem jeweiligen Einzelfall werde unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung getragen.

Quelle: Verwaltungsgericht Mainz/ra-online

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