18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil25.05.2023

Kein Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit eines Kindes nach Anfechtung der VaterschaftVaterschafts­anfechtung hat keine Auswirkungen auf Staats­an­ge­hö­rigkeit

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gericht hat mit Urteil die Berufung der Hansestadt Lüneburg gegen das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Lüneburg zurückgewiesen, mit dem dieses die Hansestadt verpflichtet hatte, festzustellen, dass die Klägerin die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit innehat.

Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin im Jahr 2019 war ihre ausländische Mutter mit einem deutschen Staats­an­ge­hörigen verheiratet. Nach Scheidung der Ehe stellte das Familiengericht im Jahr 2020 auf Antrag der Mutter und der Klägerin fest, dass ihr Vater nicht der geschiedene Ehemann ist, sondern ein ausländischer Staats­an­ge­höriger. Die von der Klägerin beantragte Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit lehnte die Hansestadt Lüneburg im Sommer 2021 mit der Begründung ab, die Klägerin habe die mit ihrer Geburt erworbene deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit durch die vor dem Familiengericht erfolgte Vaterschaftsanfechtung rückwirkend verloren. Der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin hat das Verwal­tungs­gericht Lüneburg am 10. November 2022 stattgegeben und die Hansestadt Lüneburg verpflichtet, festzustellen, dass die Klägerin die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit innehat. Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft bleibe ohne Auswirkungen auf die Staats­an­ge­hö­rigkeit der Klägerin, da eine gesetzliche Regelung, die in diesem Fall den Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit anordne, nicht existiere.

OVG: Keine Rechtsgrundlage für den Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit

Das OVG hat die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts bestätigt und die dagegen gerichtete Berufung der Hansestadt Lüneburg zurückgewiesen. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) fordere eine gesetzliche Grundlage, die den Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit ausdrücklich anordne. An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehle es in der vorliegenden Konstellation. Die einschlägige zivilrechtliche Norm des § 1599 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lege nur die famili­en­recht­lichen Folgen der Vater­schafts­an­fechtung fest. Die staats­an­ge­hö­rig­keits­rechtliche Norm des § 4 Abs. 1 Satz 1 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz (StAG) regele den Erwerb, nicht aber den Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit.

Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht ausdrücklich angeordnet

Der Gesetzgeber sei zwar davon ausgegangen, dass diese Regelungen nach allgemeiner hergebrachter Rechts­über­zeugung an zwei ungeschriebene Annahmen anknüpften. Danach wirke erstens die Anfechtung der Vaterschaft auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück, das heiße, bei erfolgreicher Anfechtung entfalle die Vaterschaft rückwirkend. Zweitens folgten die staats­an­ge­hö­rig­keits­recht­lichen Regelungen in vollem Umfang den famili­en­recht­lichen Abstam­mungs­vor­schriften, das heiße die Staats­an­ge­hö­rigkeit entfalle bei erfolgreicher Vater­schafts­an­fechtung. Der Gesetzgeber habe den hiermit verbundenen Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit aber selbst nicht ausdrücklich angeordnet. Eine solche Anordnung ergebe sich auch nicht aus § 17 StAG. Dessen Absatz 1 liste zwar verschiedene Verlustgründe auf, nenne die erfolgreiche Vater­schafts­an­fechtung jedoch nicht. Auch Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 Variante 3 der Vorschrift bestimmten nur die Folgen eines in einem anderen Gesetz vorgesehenen Verlusts der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit, ordneten diesen Verlust selbst jedoch nicht an. Die Revision zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat der Senat nicht zugelassen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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